Berlin zieht seit Jahren Kunstschaffende aus aller Welt an. Doch die Galerien der Stadt reichen nicht aus, um allen Talenten Raum zu geben. Deshalb haben sich sogenannte Projekträume entwickelt – offene Orte, an denen Kunst unabhängig gedacht, gezeigt und weiterentwickelt wird.
Kunstmetropole Berlin: Mehr Künstler als Galerien
Berlin gilt heute als europäische Kunsthauptstadt. Über 7.000 bildende Künstler leben und arbeiten hier. Doch bei nur rund 600 Galerien wird schnell klar: Es gibt nicht genug Ausstellungsflächen für alle. Besonders in kreativen Bezirken wie Mitte, Kreuzberg oder Neukölln ist die Konkurrenz groß.
Viele Kunstschaffende schaffen deshalb eigene Plattformen: sogenannte Projekträume. Sie sind meist selbstverwaltet, unabhängig und ermöglichen Experimente abseits des Mainstreams.
Was zeichnet Projekträume aus?
- Sie eröffnen kreative Freiräume
- Sie fördern unbekannte Künstlerinnen und Künstler
- Sie verbinden verschiedene Disziplinen – von Fotografie bis Klangkunst
- Sie bringen Kunst in den öffentlichen Raum
- Sie setzen auf Austausch statt auf Kommerz
Walden Kunstausstellungen: Raum für Neuentdeckungen
Der Projektraum „Walden Kunstausstellungen“ wurde 1994 von Reinhold Gottwald ins Leben gerufen. Ursprünglich im Prenzlauer Berg gestartet, befindet sich der Raum heute in der Hufelandstraße nahe dem Volkspark Friedrichshain.
Walden zeigt keine bekannten Namen – hier stehen neue Talente im Fokus. Über 200 Ausstellungen wurden bisher realisiert. Präsentiert werden unter anderem:
- Fotografien
- Installationen
- Skulpturen
Ziel ist die langfristige Förderung vielversprechender Künstlerpersönlichkeiten. Für sein Engagement erhielt der Initiator einen Förderpreis des Berliner Senats.
Berlin Weekly: Kunst rund um die Uhr
2010 eröffnete Stefanie Seidl ihren Projektraum in der Linienstraße in Berlin-Mitte. Die Besonderheit: Die Kunst wird in einem hellen Schaufenster ausgestellt – und ist dadurch Tag und Nacht sichtbar.
Alle zwei bis drei Wochen wechselt die Installation. Die Werke sind raumbezogen, konzeptstark und sollen Passanten zum Innehalten bringen.
Vorteile dieses Formats:
- Kunst im öffentlichen Raum sichtbar machen
- Niedrige Zugangsschwelle für Betrachter
- Schneller Wechsel schafft Dynamik
Berlin Weekly verbindet klassische Ausstellung mit moderner Präsentation – offline und online.
G.A.S-station: Wo Kunst auf Klang trifft
2008 gründeten Thomas Maximilian Stuck und Elisa Asenbaum in Kreuzberg die G.A.S-station – ein Projektraum für Grafic Art & Sound. Ziel ist es, Medienkunst, Klangexperimente und gesellschaftlich relevante Themen zu verbinden.
Der Raum lädt regelmäßig per Open Call zur Teilnahme ein. So entstehen Gruppenausstellungen mit internationalen Künstlern – oft unter philosophischen oder sozialkritischen Leitthemen wie:
- „Das Ding“
- „Chaos“
- „Keine Zeit“
- „Die Perfektheit und das Fehler“
Auch hier wird das Schaufenster als Bühne genutzt – mit Kunst, die auch im Alltag wirkt.
AUTOCENTER: Vom Experiment zur Institution
Das AUTOCENTER wurde vor über zehn Jahren von Joep van Liefland und Maik Schierloh gegründet. Anfangs war es eine Off-Location in einer ehemaligen Autolackiererei. Heute ist es eine feste Adresse für zeitgenössische Kunst in Berlin-Mitte.
Seit 2013 befindet sich der Raum in einer großen Büroetage in der Leipziger Straße. Über 160 Ausstellungen mit mehr als 750 Künstlern fanden hier bereits statt – darunter auch bekannte Namen wie:
- Olaf Nicolai
- Norbert Bisky
- Thomas Scheibitz
Zusätzlich gibt es regelmäßig Diskussionsveranstaltungen, Vorträge und eine eigene Sommerakademie. Das AUTOCENTER ist heute einer der professionellsten Projekträume der Stadt – mit Potenzial zur Galerie.
Vergleich der vier Projekträume
Projektraum | Gegründet | Schwerpunkt | Besonderheit |
---|---|---|---|
Walden | 1994 | Neue Talente, alle Kunstformen | Langfristige Betreuung |
Berlin Weekly | 2010 | Raumbezogene Installationen | 24/7 sichtbar im Schaufenster |
G.A.S-station | 2008 | Medienkunst, Konzeptkunst | Internationale Themenausstellungen |
AUTOCENTER | ca. 2002 | Zeitgenössische Kunst | Akademie, bekannte Künstler, großes Netzwerk |
Fazit: Kunst benötigt Freiheit
Projekträume sind das Rückgrat der freien Kunstszene in Berlin. Sie geben jungen Talenten eine Chance, bieten Experimentierflächen und holen Kunst direkt zu den Menschen. In einer Stadt mit wachsendem kreativen Potenzial, aber begrenztem Raum, sind sie nicht nur eine Alternative, sondern eine Notwendigkeit.
Wer Berlins Kunst wirklich verstehen will, muss dort hingehen, wo sie entsteht – in den Projekträumen dieser Stadt.