Die Europäische Union steckt seit Jahren in einer Dauerkrise. Flüchtlingspolitik, Schuldenkrise, Populismus, Terror und globale Herausforderungen – all das verlangt nach einer strategischen Antwort. Doch statt eines klaren Plans erleben wir Konfusion und Krisenmanagement auf Sicht. Der Ruf nach einer starken, handlungsfähigen EU wird lauter. Was jetzt zählt, ist: Europa braucht eine neue Struktur, eine neue Führung – und ein neues Selbstverständnis.
Die EU im Dauerkrisenmodus
Seit Jahren wird die Europäische Union von Schlagzeilen erschüttert:
- „Nicht Europa, sondern Anti-Europa“
- „Europa muss kollabieren“
- „Das monumentale Versagen des Politischen“
Diese dramatischen Überschriften spiegeln ein Gefühl wider: Europa wirkt wie ein Raum der Ratlosigkeit. Die Menschen fragen sich: Wer entscheidet hier eigentlich? Wer übernimmt Verantwortung?
Eine zersplitterte Machtstruktur
Die Machtverhältnisse in der EU sind komplex und unübersichtlich:
- Die EU-Kommission hat das Initiativrecht für Gesetzgebung.
- Der Ministerrat entscheidet zusammen mit dem Europäischen Parlament.
- Der Europäische Rat (die Regierungschefs) greift bei politischen Großthemen ein.
- Spezielle Institutionen wie EZB, Eurogruppe oder Ausschuss der Regionen mischen ebenfalls mit.
Und: Nicht immer entscheiden alle 27 Mitgliedstaaten gemeinsam – in der Eurozone etwa nur 20 Länder.
Folge:
Ein unübersichtliches Machtgeflecht, das strategische Führung verhindert.
Was Europa jetzt braucht
Damit die EU zukunftsfähig wird, müssen sieben zentrale Schritte umgesetzt werden:
1. Die EU-Kommission stärken
Die Kommission muss zur echten Exekutive Europas werden. Der Kommissionspräsident – aktuell Ursula von der Leyen – sollte eine klar sichtbare politische Führungsperson sein.
Konkret:
- Politische Initiativen wie der Green Deal und der Investitionsfonds zeigen, was möglich ist.
- Juncker und von der Leyen haben die EU sichtbar gemacht – das muss ausgebaut werden.
2. Macht nicht abbauen, sondern gezielt nutzen
Versuche, der Kommission Kompetenzen zu entziehen (wie von Wolfgang Schäuble angeregt), schwächen Europa. Stattdessen braucht es:
- Mut zur Gestaltung statt nur zur Kontrolle.
- Initiativrecht und Durchsetzungskraft für europäische Projekte.
3. Direkte Wahl des Ratspräsidenten
Der Präsident des Europäischen Rats – aktuell Charles Michel – sollte direkt von den Bürgern gewählt werden. Das würde:
- die Legitimation stärken,
- den Einfluss der Regierungen bündeln,
- mehr Identifikation mit der EU schaffen.
4. Eine politische Union schaffen
Die Eurozone braucht einen echten politischen Rahmen:
Vorschlag | Bedeutung |
---|---|
Euro-Finanzminister | Einheitliche Finanzpolitik steuern |
Eigenes Euro-Budget | Handlungsfähigkeit bei Krisen erhöhen |
Euro-Zonen-Parlament | Demokratische Kontrolle der Entscheidungen |
5. Demokratische Legitimation ausbauen
Ein handlungsfähiges Europa braucht mehr Bürgernähe:
- Europäisches Parlament muss sichtbarer und wirksamer werden.
- Nationale Parlamente sollten europäische Themen ernster nehmen.
- Der Ausschuss der Regionen kann regionale Identität stärken.
- Bürgerbegehren sollten zu verbindlichen Abstimmungen ausgebaut werden.
6. Alle Akteure einbinden
Führung darf nicht nur Chefsache sein. Auch Zivilgesellschaft, Parteien, Medien und Bürger müssen ihren Platz in einem partizipativen Europa finden.
7. Normative Identität stärken
Europa ist mehr als eine Wirtschaftsgemeinschaft. Es ist ein normatives Projekt. Was hält uns zusammen? Was sind unsere Werte?
Dazu gehören:
- Freiheit und Rechtsstaatlichkeit
- Demokratie und Solidarität
- Menschenrechte und Vielfalt
Fazit: Europa braucht eine klare Struktur – und neue Köpfe
Europa wird seine Zukunft nicht mit immer neuen Krisengipfeln sichern. Es braucht strategisches Denken, institutionelle Klarheit und eine politische Führung, die den Namen verdient. Nur so kann aus der Konfusion eine Kraft werden – und aus der Europäischen Union eine echte politische Union, die ihre Bürger überzeugt.
Jetzt ist der Moment für eine neue europäische Erzählung. Eine Geschichte, die nicht von Angst, Chaos oder Untergang handelt, sondern von Gestaltung, Zusammenhalt und der klugen Nutzung gemeinsamer Stärke. Europa braucht Gestalt – und strategische Köpfe, die sie formen.