Wahlkrisen, Parteibasis und Kanzlerkandidaten: Wenn Geschichte sich wiederholt

Wahlkrisen, Parteibasis und Kanzlerkandidaten: Wenn Geschichte sich wiederholt

Redaktion

Deutschland, Politik

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Wenn Parteien Niederlagen erleiden, beginnt oft eine Phase der Selbstsuche – manchmal produktiv, häufig chaotisch. Was die SPD nach 2019 durchlebte, wiederholt sich nun bei der CDU. Dabei stellt sich eine zentrale Frage: Lernen Parteien aus der Vergangenheit – oder wiederholen sie lediglich deren Fehler in neuer Verpackung?

Die SPD und ihre lehrreiche Vorsitzendenwahl 2019

Im Jahr 2019 entschied sich die SPD erstmals für ein neues Vorsitzendenduo per Mitgliederentscheid. Doch obwohl rund 425.000 Parteimitglieder zur Wahl aufgerufen waren, lag die Beteiligung nur bei knapp über 50 %. Die Mehrheit der Genossen enthielt sich also. Olaf Scholz, gemeinsam mit Klara Geywitz im Rennen und von vielen als gesetzt betrachtet, verlor überraschend gegen Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans. Diese wurden vor allem von den Jusos unter Kevin Kühnert unterstützt.

Doch die neue Spitze hatte kaum Zeit, sich zu profilieren. Der Parteivorstand – und nicht etwa die Parteibasis – entschied sich wenige Monate später für Olaf Scholz als Kanzlerkandidaten. Ironie der Geschichte: Ausgerechnet der Verlierer des Mitgliederentscheids wurde zum Gesicht der SPD im Bundestagswahlkampf – erfolgreich, wie sich herausstellte. Die Parteiführung, die zuvor basisdemokratisch gewählt worden war, spielte im Wahlkampf kaum eine Rolle. Ihr größter Beitrag: nicht zu stören.

CDU – auf dem Weg in dieselbe Sackgasse?

Nach ihrer historischen Wahlniederlage 2021 ringt die CDU nun mit sich selbst. Von klarer Führung ist wenig zu spüren. Stattdessen hört man Schlagworte wie „Basisbeteiligung“, „Profilbildung“, „Modernisierung“ – alles Begriffe, die an den mühsamen Erneuerungsprozess der SPD erinnern.

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Besonders auffällig ist die Idee, den oder die neue Parteivorsitzende per Mitgliederentscheid zu wählen – ein Mittel, das in der SPD keineswegs den gewünschten Aufbruch gebracht hat. Ebenso werden Versuche unternommen, das eigene Parteiprofil neu zu schärfen, ohne dabei eine klare Richtung erkennen zu lassen.

Ein Blick in die Geschichte der Union zeigt jedoch: CDU-Erneuerung gelang am erfolgreichsten dann, wenn sie nicht unter großem medialem Druck und öffentlichem Seelenstriptease stattfand, sondern durch strategische Führung aus der Mitte. Helmut Kohl 1982, Angela Merkel 2005 – beide nutzten Krisen, um sich durchzusetzen, nicht durch Mitgliederentscheide, sondern durch kluges Taktieren und klares politisches Angebot.

Wiederkehrende Muster – und was daraus folgt

Typische Symptome nach Wahlniederlagen:

  • Personalkonflikte statt Programmarbeit
  • Überfrachtete Mitgliederbeteiligung ohne strategische Führung
  • Vernachlässigung professioneller Kampagnenarbeit
  • Geringe Bereitschaft zur Selbstkritik auf Führungsebene

Was Parteiführung wirklich braucht:

  • Klare Rollenverteilung zwischen Parteivorsitz und Kanzlerkandidatur
  • Professionelle Kommunikation statt Basisromantik
  • Strategie vor Stimmungen

Fazit: Nicht jeder Schatten ist Demokratie

Basisbeteiligung ist wichtig. Aber wenn sie zur Inszenierung wird, ohne dass klare Verantwortung übernommen wird, führt sie nicht zu mehr Demokratie, sondern zu mehr Beliebigkeit. Die SPD hat 2019 vorgemacht, wie wenig aus einem Mitgliederentscheid folgen kann – und wie am Ende doch das Parteiestablishment die Weichen stellt.

Die CDU steht nun vor einer ähnlichen Entscheidung. Will sie sich wirklich modernisieren oder nur Zeit gewinnen? Strategisches Denken und klare Führung waren stets die Stärke der Union. Wenn sie das vergisst, wird aus der Oppositionsrolle ein Dauerzustand.

Oder anders gesagt: Wenn Parteien ihre Erfolgsrezepte verlernen, bleibt von der „Volkspartei“ bald nur noch der Name.

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