Putins Herrschaft – ein System mit faschistischen Zügen?

Putins Herrschaft – ein System mit faschistischen Zügen?

Redaktion

Politik

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Wie ähnlich ist das politische System von Wladimir Putin den Ideologien des historischen Faschismus und Nationalsozialismus? Diese Frage beschäftigt derzeit viele Historikerinnen und Politikwissenschaftler. Der US-Historiker Timothy Snyder ist überzeugt: Russland unter Putin ist ein faschistischer Staat. Doch gerade deutsche Wissenschaftler mahnen zur Vorsicht – auch, weil der Nationalsozialismus eine ganz eigene, radikale Form des Faschismus darstellte.

Autoritärer Führungsstil mit nationalistischem Unterbau

Putins Regierungsstil zeigt einige Gemeinsamkeiten mit klassischen faschistischen Systemen. Dazu gehören ein starker Personenkult, ein verklärter Blick in die Vergangenheit sowie eine aggressive nationalistische Rhetorik. Putin inszeniert sich gerne als starker Mann, als Garant für Stabilität. Die russische Partei „Einiges Russland“ dient dabei als Machtinstrument, entfaltet aber längst nicht die Massenmobilisierung wie einst die NSDAP oder die italienische PNF.

Zwischen Duldung und Loyalität

Anders als bei Hitler oder Mussolini, deren Anhängerschaft von fanatischer Hingabe geprägt war, ist Putins Machtbasis vor allem auf Resignation und Gewohnheit gegründet. Viele Russinnen und Russen sehen in ihm nicht den idealen Führer, sondern eher eine Notwendigkeit – den letzten Halt vor politischem Chaos. Eine echte Begeisterung, wie sie die historischen Faschisten zu wecken wussten, bleibt weitgehend aus.

Rückgriff auf alte Mythen

Putin greift immer wieder auf historische Bezüge zurück, um seine Politik zu rechtfertigen. Besonders auffällig war dies bei der Annexion der Krim im Jahr 2014. Dabei berief er sich auf den ersten christlichen Fürsten der Rus und stilisierte die Halbinsel als „heiligen Ort“ Russlands. Diese geschichtsverklärte Argumentation erinnert an die nationalistischen Narrative früherer Diktaturen – auch wenn sie anders motiviert ist.

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Russland als Opfer und Retter zugleich

Ein zentrales Element der russischen Staatspropaganda ist das Bild eines Landes, das von äußeren Feinden bedroht wird. Diese Rhetorik ähnelt stark der des NS-Regimes, das sich 1939 ebenfalls als Opfer einer ungerechten internationalen Ordnung präsentierte. Heute sieht sich Russland als Bollwerk gegen einen dekadenten Westen, dessen angebliche Werte – Demokratie, Menschenrechte, Rechtsstaat – nur Fassade seien.

Verschwörungstheorien und Feindbilder

Putins Umfeld, darunter Außenminister Sergej Lawrow und Sicherheitsratschef Nikolai Patruschew, verbreitet regelmäßig Verschwörungserzählungen über eine westliche Unterwanderung Russlands. Besonders radikal äußert sich Ex-Präsident Dmitri Medwedew, dessen Wortwahl zunehmend an faschistische Begriffe erinnert. Auch Begriffe wie „Denazifizierung“ dienen als ideologische Waffe gegen die Ukraine – mit erschreckenden Parallelen zur Propaganda der 1930er-Jahre.

Rückgriff auf rechtsextreme Philosophen

Putins ideologische Ausrichtung lässt sich nicht nur an seiner Politik, sondern auch an seinen intellektuellen Bezugspunkten erkennen. Ein Name fällt dabei immer wieder: Iwan Iljin. Der russische Emigrant lebte im 20. Jahrhundert in Deutschland und stand ideologisch nahe der sogenannten „Konservativen Revolution“. Seine Schriften forderten eine autoritäre Ordnung, die heute Putins Selbstverständnis stark prägt.

Historische Parallelen zur NS-Argumentation

Viele Reden Putins erinnern in Ton und Inhalt an die Begründungen Hitlers für seine Angriffe auf Nachbarländer. Etwa der Vorwurf, in der Ukraine werde die russische Sprache unterdrückt, erinnert an Hitlers Schutzbehauptung zugunsten der „Volksdeutschen“ in der Tschechoslowakei oder in Polen. Auch die Ablehnung internationaler Vereinbarungen und die Vorstellung, Russland habe ein „natürliches Recht“ auf Einflusszonen, knüpfen an völkisch-imperiale Denkweisen an.

Vorsicht vor vereinfachenden Vergleichen

Trotz aller Ähnlichkeiten darf man Russland unter Putin nicht einfach mit dem nationalsozialistischen Deutschland gleichsetzen. Der Holocaust, der systematische Massenmord an den europäischen Juden, war ein zentrales Merkmal des NS-Regimes. Solche rassistischen Vernichtungspläne verfolgt Russland bislang nicht. Auch die multiethnische Selbstbeschreibung des russischen Staates unterscheidet sich grundlegend vom völkischen Rassedenken des Dritten Reichs.

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Was wir aus diesen Parallelen lernen sollten

Die auffälligen Gemeinsamkeiten in Rhetorik, Feindbild und Selbstinszenierung sollten uns dennoch nicht gleichgültig lassen. Wer wiederholt davon spricht, die Weltordnung neu schreiben zu wollen, wer demokratische Werte systematisch verächtlich macht, der stellt die Grundlagen der internationalen Friedensordnung infrage. Für Europa bedeutet das: aufmerksam bleiben, aus der Geschichte lernen – und eine klare Haltung zeigen.