Mit der Entscheidung des Bundestages vom 6. November 2014, dem Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) künftig auch die direkte Rekapitalisierung überschuldeter Banken zu ermöglichen, wurde eine weitreichende Kursänderung in der europäischen Finanzpolitik vollzogen. Was ursprünglich als Rettungsinstrument für zahlungsunfähige Staaten konzipiert war, soll nun auch zur Stützung privater Banken eingesetzt werden. Kritiker sprechen von einem Bruch mit den ursprünglichen Prinzipien des ESM und warnen vor einem gefährlichen Präzedenzfall.
Steuergelder für Bankverluste?
Besonders brisant ist, dass mit der neuen Regelung Steuergelder zur Rettung von Banken verwendet werden können, die durch eigene Risikogeschäfte in Schieflage geraten sind. Das stellt das marktwirtschaftliche Grundprinzip infrage: Wer Gewinne einstreicht, soll auch Verluste tragen. Wenn jedoch Bankaktionäre profitieren und Verluste von Steuerzahlern gedeckt werden, droht eine gefährliche Schieflage – nicht nur wirtschaftlich, sondern auch politisch.
Haftungsprinzip ausgehebelt
Die neue ESM-Regelung umgeht zentrale Schutzmechanismen: Bisher war vorgesehen, dass Staaten ein Darlehen vom ESM erhalten und ihre Banken damit stützen. Im Gegenzug verpflichteten sich die Länder zu wirtschaftspolitischen Reformen. Durch die direkte Rekapitalisierung entfällt dieser Zwischenschritt – und damit auch die staatliche Haftung und Reformverpflichtung. Die Rückzahlung der Hilfen durch die Banken selbst ist jedoch wesentlich unsicherer.
Rechtsstaatlich fragwürdig
Juristisch ist die Regelung ebenfalls umstritten. Der ESM-Vertrag sieht ausdrücklich vor, dass nur Staaten – nicht Banken – Empfänger von Finanzhilfen sein dürfen. Eine formale Änderung dieses Vertrags hat nicht stattgefunden. Kritiker werfen der Bundesregierung vor, geltendes Recht zu beugen, um politische Lösungen durchzusetzen. Die demokratische Kontrolle wurde dabei ebenfalls unterlaufen: Die neue Leitlinie zur Bankenhilfe wurde nur im Haushaltsausschuss des Bundestages beraten – unter Ausschluss der Öffentlichkeit.
Eine symbolische Kehrtwende
Besonders pikant: Noch 2012 hatten führende Bundestagsfraktionen – darunter CDU/CSU und SPD – eine direkte Bankenhilfe aus dem ESM ausgeschlossen. Es sei nicht vertretbar, so hieß es damals, Steuergelder ohne parlamentarische Kontrolle für private Finanzinstitute einzusetzen. Dass diese Haltung zwei Jahre später stillschweigend aufgegeben wurde, lässt das Vertrauen in politische Verlässlichkeit erodieren.
Fazit: Systemrisiken bleiben bestehen
Die direkte Bankenrekapitalisierung ist mehr als nur ein technisches Detail. Sie markiert eine Zäsur in der europäischen Krisenpolitik und stellt das Vertrauen in das Versprechen einer stabilen Währungsunion auf die Probe. Ohne echte Strukturreformen im Bankensektor bleibt die Gefahr bestehen, dass künftige Krisen erneut auf dem Rücken der Steuerzahler ausgetragen werden. Ein nachhaltigeres Vorgehen wäre nötig gewesen – mit klaren Haftungsregeln und politischer Verantwortung.
Ein weiteres gebrochenes Versprechen auf dem Weg der Euro-Rettung – und ein Schritt, der demokratische Prinzipien aufs Spiel setzt.