Geschichtsvergessenheit auf der Straße: Warum NS-Vergleiche auf Corona-Demos unerträglich sind

Geschichtsvergessenheit auf der Straße: Warum NS-Vergleiche auf Corona-Demos unerträglich sind

Redaktion

Deutschland, Gesellschaft, Politik

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Seit Monaten gehen in Deutschland Menschen auf die Straße, um gegen staatliche Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie zu demonstrieren. Dabei greifen sie zu Begriffen, Symbolen und Vergleichen, die nicht nur fehl am Platz, sondern hochproblematisch sind. Wer auf einem Protestmarsch einen „Judenstern“ mit der Aufschrift „Ungeimpft“ trägt oder sich als „Covid-Jude“ bezeichnet, verhöhnt das Leid von Millionen ermordeter Menschen.

Der gelbe Stern – Symbol der Ausgrenzung und Angst

Ab September 1941 mussten Jüdinnen und Juden im Deutschen Reich einen gelben Stern mit der Aufschrift „Jude“ tragen. Für viele bedeutete dieser Stern das Ende eines freien Lebens – er war das sichtbare Zeichen der Entrechtung, Ausgrenzung und ständigen Todesgefahr. Menschen wie Victor Klemperer verließen kaum noch das Haus. Andere, wie die damals 16-jährige Cecilie Landau, wurden mit der Familie in Ghettos deportiert, später in Vernichtungslager – sie verlor Eltern und Schwester. Der gelbe Stern bedeutete die Vorstufe zum Massenmord.

Anne Frank war nicht Teil einer Protestbewegung

Auf Demos liest man Schilder mit der Aufschrift „Anne Frank wäre bei uns“. Das ist zynisch. Anne Frank lebte zwei Jahre im Versteck, in ständiger Angst vor Entdeckung und Tod. Ihre Hoffnung, Schriftstellerin zu werden, erfüllte sich nicht. Sie starb mit nur 15 Jahren im Lager Bergen-Belsen. Sich mit ihr zu vergleichen, verharmlost ihr Schicksal – und den Holocaust insgesamt.

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Auschwitz ist kein Sinnbild für Impfdebatten

Besonders verstörend sind Plakate mit Sprüchen wie „Impfen macht frei“. Dieser Satz spielt bewusst auf den zynischen Schriftzug „Arbeit macht frei“ über dem Tor des Konzentrationslagers Auschwitz an – einem Ort, an dem über eine Million Menschen ermordet wurden. Ebenso geschmacklos ist die Darstellung des Virologen Christian Drosten als Josef Mengele, dem KZ-Arzt von Auschwitz. Solche Gleichsetzungen sind geschichtsvergessen und zutiefst verletzend – nicht nur für Überlebende.

„Wir sind das Volk“ – ein geschichtsvergessener Missbrauch

Auch der Ruf „Wir sind das Volk“ wird heute auf diesen Demonstrationen skandiert – mit dem Ziel, sich in eine Linie mit den mutigen Bürgerinnen und Bürgern von 1989 zu stellen, die in der DDR für Freiheit und Demokratie auf die Straße gingen. Doch damals riskierte man Verhaftung, Repression, das Ende der eigenen Existenz. Heute demonstrieren Menschen in einem freien Land – ohne Verfolgung, ohne Gewalt vom Staat, ohne Konsequenzen. Wer diesen Unterschied nicht erkennt, verkennt die Realität.

Freiheit bedeutet nicht Beliebigkeit

In der Bundesrepublik darf jede und jeder protestieren – auch gegen staatliche Maßnahmen. Meinungsfreiheit ist ein Grundpfeiler der Demokratie. Aber sie endet dort, wo die Würde anderer verletzt wird. Wer NS-Sprache nutzt, wer die Erinnerung an die Opfer des Holocaust für seine Zwecke instrumentalisiert, der überschreitet diese Grenze.

Schlussfolgerung: Geschichte verpflichtet

Die Freiheit, in Deutschland zu demonstrieren, ist ein hohes Gut. Aber sie verlangt Verantwortung. Wer sich selbst mit den Opfern der NS-Diktatur gleichsetzt, weil er eine Maske tragen oder sich impfen lassen soll, verharmlost die Verbrechen des Nationalsozialismus. Und er tritt all jenen Menschen ins Gesicht, die damals ihr Leben verloren haben – und jenen, die heute mahnen: „Nie wieder.“

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