Kolumne | Direktnachricht
Kolumne | Direktnachricht
Da ist es also, das dritte Entlastungspaket. Unter zähen Verhandlungen geschnürt und mit einem Volumen von 65 Milliarden Euro würde sein Titel innerhalb einer Filmreihe vermutlich lauten: „Entlastung – Jetzt erst recht!“ Endlich werden auch Rentner_innen und Studierende mit unterstützenden Zahlungen berücksichtigt, der Kreis an Wohngeldberechtigten wird signifikant ausgeweitet und zum Beispiel das Bürger_innengeld erhöht.
Damit werden vor allem Versäumnisse der ersten beiden Pakete ausgebessert. Besonders irritierend ist es aber, den ohnehin geplanten Anstieg des Bürger_innengeldes als neue rettende Idee verkaufen zu wollen. Die ab Januar 2023 zusätzlich gezahlten 50 Euro werden nämlich absehbar als Inflationsausgleich verpuffen und kaum als größeres Budget im Geldbeutel landen. Das heißt auch: Bis zum Ende des Jahres bietet das dritte Entlastungspaket keine weiteren gezielten Maßnahmen für Menschen in der Grundsicherung, um ihre Sorgen vor Herbst und Winter zu mildern.
You’ll never walk alone – außer du beziehst halt Grundsicherung, dann bleibst du in der Armut isoliert. Solange der Regelsatz auf der Basis „zum Leben zu wenig, zum Sterben zu viel“ bemessen wird, wird sich das leider auch nicht ändern, schon gar nicht in Zeiten von Inflation und diversen Krisen. Dabei müsste laut Berechnungen des Paritätischen Wohlfahrtsverbands der Regelsatz mindestens (!) bei 678 Euro liegen, um überhaupt „das verfassungsrechtlich gebotene soziokulturelle Existenzminimum abzusichern“. Alles andere bleibt nach wie vor weit davon entfernt, dass Menschen ihren Lebensunterhalt bestreiten können – über Wohnkosten und eine gesunde Ernährung bis hin zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben.
Währenddessen steht Christian Lindner weiter auf der Schuldenbremse und wiederholt lieber noch einmal seine spaltende Rhetorik von der „hart arbeitenden Mitte“. (Fun Fact: Tränke man jedes Mal einen Schnaps, sobald er diese erwähnt, käme niemand mehr dazu, auch nur irgendetwas zu tun.) Lindners geliebtes Bild impliziert auch immer, dass diejenigen unterhalb besagter „Mitte“, entweder gar nicht arbeiten oder nicht hart genug. Die Verachtung von Menschen in Armut muss uns nicht immer erst ins Gesicht springen, um nicht doch mit voller Wucht zu existieren.
Dabei ist unser Finanzminister doch so gern auf Twitter unterwegs und hätte dort zumindest seit Mai dieses Jahres einmal dem Hashtag #IchBinArmutsBetroffen begegnen können. Betroffene brechen darunter das Schweigen über ein Leben in Armut, organisieren sich und stellen politische Forderungen. Sie machen zum Beispiel auch klar, dass ein bundesweites Nahverkehrsticket mit 49 oder gar 69 Euro zu teuer ist und denjenigen, die es am dringendsten benötigen, nicht hilft.
Das vierte Entlastungspaket muss eigentlich schon jetzt geplant werden und sich endlich an die Wurzeln trauen, statt wieder nur die Gießkanne rauszuholen. Denn dass im Portemonnaie nichts mehr ist, aber noch so viel Monat übrig, das wird in der kommenden Zeit immer noch zu vielen Menschen drohen. Der nächste Teil muss deshalb heißen: „Strukturelle Armut bekämpfen – Jetzt erst recht.“