Seit sechs Jahren regiert in Polen die Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS). Ihre sogenannten Reformen im Justizwesen gelten als umstritten. Was eigentlich als Erneuerung verkauft wird, ist in Wirklichkeit ein Umbau des Systems – mit schwerwiegenden Folgen für die Demokratie.
Gerichte werden langsamer – Vertrauen geht verloren
Laut Daten des Justizministeriums (April 2021) brauchen die Gerichte in Polen immer mehr Zeit, um Urteile zu fällen. Verfahren dauern länger, Bürgerinnen und Bürger warten zunehmend vergeblich auf Gerechtigkeit. Die Justizreform bringt also nicht mehr Effizienz, sondern lähmt das System.
Verfassungsgericht unter Kontrolle der Regierung
Der Verfassungsgerichtshof hat seine unabhängige Rolle verloren. Viele der Richterinnen und Richter gelten als treue Gefolgsleute der Regierung. Die Leitung durch Julia Przyłębska, Ehefrau des polnischen Botschafters in Deutschland, verstärkt diesen Eindruck. Kritiker sprechen vom „Marionettengerichtshof“.
Der Staat greift in Justiz, Medien und Bildung ein
Besonders gravierend ist die politische Einflussnahme auf den Nationalen Justizrat (KRS), der Richter auswählt und befördert. Die Neubesetzung wurde vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) als nicht rechtskonform beurteilt. Auch die Disziplinarkammer, die Richter bestraft, wurde vom EuGH gestoppt – sie arbeitet dennoch weiter.
Zugleich wird Druck auf Medien, NGOs und Minderheiten ausgeübt. Besonders die LGBTQ-Gemeinschaft und kritische Fernsehsender wie TVN sind Zielscheiben. Auch Universitäten geraten zunehmend unter politische Kontrolle.
Die EU reagiert – aber mit begrenzter Wirkung
Als Mitglied der Europäischen Union steht Polen unter Beobachtung. Seit 2016 laufen Verfahren der EU-Kommission wegen Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit. Auch das Artikel-7-Verfahren wurde angestoßen – doch es blieb wirkungslos, da es die Einstimmigkeit aller EU-Staaten erfordert.
Trotz eindeutiger Urteile aus Luxemburg setzt die polnische Regierung Entscheidungen des EuGH kaum oder gar nicht um. Stattdessen wird die Kritik als Einmischung in nationale Angelegenheiten abgetan.
Droht Polen der EU-Ausschluss?
Ein Ausschluss aus der EU ist rechtlich kaum möglich. Doch politische und wirtschaftliche Folgen sind längst spürbar. Zahlungen aus EU-Fonds könnten gekürzt oder eingefroren werden. Bereits jetzt ist das internationale Vertrauen in Polens Justizsystem erschüttert. Das merken auch deutsche und andere europäische Gerichte, die polnische Haftbefehle infrage stellen.
Parlamentswahl 2023 – die letzte Chance?
Die nächste Parlamentswahl wird zum Wendepunkt. Sollte die Opposition gewinnen, könnte der mühsame Wiederaufbau von Vertrauen und Rechtsstaat beginnen. Gewinnt PiS erneut, droht eine weitere Verschärfung des autoritären Kurses.
Fazit: Kein Grund zur Entwarnung
Polen steht an einem Scheideweg. Die Demokratie ist angeschlagen, die Justiz politisiert, die Medienfreiheit gefährdet. Der Schaden ist bereits jetzt erheblich – und die EU muss sich fragen, wie lange sie noch zuschaut. Die Zeit zum Handeln ist jetzt.