Kolumne | Direktnachricht
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Roe v. Wade ist weg. Was bleibt, ist Donald Trumps Vermächtnis. Die durch ihn ermöglichte grausame Entscheidung des Supreme Courts belegt das langfristige, demokratiezersetzende Projekt der christlich-nationalistischen Rechten. Zu dieser Agenda gehört auch, was nicht mehr nur in dog whistles verbreitet, sondern laut und selbstbewusst ausgesprochen wird. So dankte die republikanische Abgeordnete Mary Miller Trump bei einer Kundgebung für einen historischen Sieg „for white life“ – tosender Applaus folgte. Später behauptete sie, sich versprochen zu haben. Doch die weiße Kapuze der Republicans war längst gelüpft.
Weiße cis Frauen wie Miller waren schon immer Steigbügelhalterinnen der patriarchalen White Supremacy. Die von Trump für den Obersten Gerichtshof nominierte Amy Coney Barrett behauptete, Roe v. Wade nicht abschaffen zu wollen – und tat es dann aus vollem Herzen. Die Gier nach Nähe zu patriarchaler Macht, der Rassismus, das eugenische Denken wiegen bei diesen Frauen so schwer, dass sie dafür ihre eigenen Rechte beschneiden. (Elf Bundesstaaten sehen keine Ausnahmen bei Vergewaltigung, Inzest oder Gefahr für das Leben der Schwangeren vor.) Als privilegierte Frauen mit genug Geld ist ihnen nämlich gewiss, im Fall der Fälle trotzdem Hilfe zu erhalten.
Dafür wird wissentlich in den Abgrund gestoßen, wer in Armut lebt, Schwarz ist, papierlos, behindert, queer, von sexualisierter Gewalt betroffen… Das Ziel ist, alle in sexistische Geschlechterrollen zu pressen. Der staatliche Zwang zu gebären, zementiert diese kaum aufgebrochenen Rollen wieder mit voller Gewalt – bis hin zum Tod. Denn obwohl das bereits Grund genug sein sollte, um Abtreibung legal, sicher und kostenlos zugänglich zu machen: Es geht um sehr viel mehr als die Gesundheitsversorgung der Betroffenen. Es geht um Menschenrechte und darum, ob insbesondere Frauen unabhängig sein dürfen, ob sie am gesellschaftlichen, ökonomischen und politischen Leben teilhaben können.
Am selben Tag, als Roe v. Wade wegbrach, schaffte der Deutsche Bundestag endlich den unsäglichen Paragrafen 219a ab. Ein wichtiger und dennoch winziger Schritt weg von der Kriminalisierung, Stigmatisierung und Entwürdigung, die der Hauptparagraf 218 nach wie vor für alle potenziell Schwangeren bedeutet. Er ist schuld daran, dass es nur noch 1100 Praxen und Kliniken gibt, die überhaupt Abbrüche durchführen. Tendenz sinkend. In der Region Niederbayern gibt es bloß noch eine einzige Ärztin, die Abtreibungen nach der Beratungsindikation, dem häufigsten Fall also, leistet.
Anfang März erschien eine bundesweite Recherche vom Correctiv-Netzwerk, die erstmals umfassend zeigte, wie schlecht und verletzend die Versorgung tatsächlich stellenweise ist. 1505 Betroffene wurden befragt. Eine dieser Personen beschrieb ihre Erfahrungen wie folgt: „Plötzlich gehört dir dein Körper nicht mehr. Man fühlt sich bei allem schuldig. Ich fand es fürchterlich, nach dem Beratungsgespräch auch noch eine Bestätigung abzuholen. Wie ein Schwerverbrecher. Es geht niemanden etwas an. Ich fühlte mich total ausgeliefert und nicht selbstbestimmt. Es ist ein Tabu, darüber zu reden, und genauso fühlt man sich auch. Das muss dringend anders werden.“
#WegMit218.