Kolumne | Aus dem Bannaskreis
Kolumne | Aus dem Bannaskreis
Hat etwa Walter Ulbricht vor 60 Jahren zum Ende der Ära Adenauer beigetragen? Zu Tausenden flohen im Sommer 1961 die Menschen aus der DDR, vor allem in Berlin. Der SED-Chef im Juni: „Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten.“
Am 13. August erwies es sich als Lüge. In den Tagen davor war Adenauer, wie gewohnt, im italienischen Cadenabbia in Urlaub. Horst Osterheld, der als außenpolitischer Berater damals dem Bundeskanzler nahe war, rekonstruierte in einem 1973 erschienenen Buch die Zusammenhänge – zwischen Mauerbau, der Bundestagswahl im September und, wie er es nannte, dem „Sturz“ Adenauers. Die absolute Mehrheit von 1957 hatte der „Alte“ verloren. Osterheld: „Dafür wiederum war der 13. August ursächlich, der Bau der Mauer in Berlin oder genauer: der Umstand, dass Adenauer nicht sofort nach Berlin flog. Dafür wieder gab es verschiedene Gründe. Man kann anführen, dass der Kanzler erst am Vortage aus Cadenabbia zurückgekommen war und dass er nach dem Urlaub immer ein paar Tage brauchte, um sich wieder ,einzustimmen‘.“
Staatsmännische Pflichten
Adenauer sei auf Wahlkampf „programmiert“ gewesen – gegen Willy Brandt, den SPD-Kanzlerkandidaten und Regierenden Bürgermeister Berlins, „an dessen Seite er naturgemäß zu Beginn des Wahlkampfes nicht gern erschien“. Der Beamte weiter: „Man muss auch Adenauers eigene Begründung akzeptieren, dass es erste staatsmännische Pflicht war, alles zu unterlassen, wodurch ein Funke ins Pulverfass hätte springen können. Ausschlaggebend war jedoch, dass er die Stimmung der Deutschen verkannte.“
Sein Fazit: „Es ist schwer begreiflich, warum er nicht wenigstens am 19. August, als Vizepräsident Lyndon B. Johnson kam, nach Berlin flog. Gewiss, die Amerikaner weigerten sich, ihn mitzunehmen, angeblich, um im Wahlkampf nicht Partei zu ergreifen. Aber hätte der Kanzler nicht stärker insistieren oder vorausfliegen müssen?“ Ohne einen überlegenen Sieg habe es für die Union nahegelegen, Adenauer die Kanzlerschaft nicht die ganze Legislaturperiode zu überlassen, sondern nur bis 1963. Auch der FDP-Koalitionspartner wollte es so. Ein weiterer Grund, so der Berater des Kanzlers, sei gewesen, „dass sich Adenauer unter den führenden Männern seiner Partei Feinde gemacht hatte“. Zwar habe er sie zwölf Jahre von Erfolg zu Erfolg geführt. „Zwölf Jahre hatten sie ihn gefürchtet und zugleich befürchtet, ihn zu verlieren – aber das war nun anders.“ Osterheld: „Jetzt sollte er weg.“