Achsenverschiebung

Postskriptum

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Achsenverschiebung

Postskriptum

Vor zwanzig Jahren erfand ein Redenschreiber des US-Präsidenten George W. Bush die Achse des Bösen. Sie bestand aus Irak, Iran und Nordkorea.

Die Weltgeschichte seit 2003 lässt sich, wenn man es auf Verknappung anlegt, so erzählen: Die USA verquickten ein Bündel disparater Motive. Da war die angebliche Gefahr irakischer Massenvernichtungswaffen, die in einem Präventivschlag beseitigt werden sollte. Heute wird die Absicht etwas zu selbstherrlich in Abrede gestellt, aber ebenso gab es unter den neokonservativen Vordenkern den Wunsch, wie unzulänglich und vermessen auch immer, das diktatorische und brutale Regime Saddam Husseins zu beenden und das Land zur Demokratie zu machen. Und schließlich bestand in der Bush-Regierung der Wille, den „unipolar moment“ (Charles Krauthammer) auszunutzen, im Überschwang des damaligen Gefühls, in Afghanistan einen „Sieg“ eingefahren zu haben – unvergesslich, wie Bush „mission accomplished“ an Deck eines Flugzeugträgers verkündete: Die USA als einzige Weltmacht! Die nebenbei auch noch sicherstellt, eine gewisse Kontrolle über große Mengen Öl zu behalten.

Der erwähnte Redenschreiber ist David Frum, der nach seiner Zeit im Weißen Haus zu einem der interessantesten Kolumnisten in den USA wurde und heute für The Atlantic, eine überaus geistreiche Mischung aus Spiegel und Merkur, schreibt. Als gemäßigter Konservativer vertrat Frum die intellektuelle republikanische Linie, provokant, aber eben doch Lichtjahre entfernt von der Vulgärlinie der Partei, die schon vor Donald Trump die Meinungsführerschaft übernommen hatte. Mit Trumps Aufstieg brach Frum entsetzt mit den Republikanern, schrieb so elegant wie kraftvoll gegen den Irrsinn an – und blieb, anders als so mancher Never Trumper des Jahres 2016, unnachgiebig bei seiner Haltung.

Frum hat diese Woche nun, sehr vorsichtig, versucht, dem Irak-Krieg positive Seiten abzugewinnen. Er kontrastiert die brüchige, aber leidlich friedliche Lage dort mit der in Syrien, wo wie in Bagdad einst eine Familiendynastie ihr Terrorregime gegen die Bevölkerung aufrechterhalten konnte und weiterhin die eigene Clique bereichert und die religiöse Mehrheit unterdrückt. Wie Saddam gegen die Kurden in den 1980er-Jahren, habe Baschar al-Assad Giftgas eingesetzt und den Aufstand mit äußerster Gewalt niedergeschlagen. Iraks Rückkehr an die internationalen Ölmärkte beschere immerhin 7 von 40 Millionen Irakerinnen und Irakern ein staatliches Gehalt oder eine Pension.

Politisch, da lässt Frum keinen Zweifel aufkommen, war der Krieg eine Katastrophe. Trump habe sich nachträglich erfolgreich als Gegner des Krieges inszenieren können – jener symbolische Bruch mit dem parteiübergreifenden außenpolitischen Establishment sei ein nicht zu unterschätzender Faktor für dessen Popularität gewesen.

Der Krieg im Irak, bemüht sich Frum ausführlich zu zeigen, sei keine „ehrliche Rechtfertigung“ für die Untaten Russlands, des Iran oder Chinas Haltung gegenüber Taiwan: „Aber er bot eine Gelegenheit und sie haben sie genutzt.“

Schließlich erkennt Bushs einstiger Mitarbeiter aber die wichtigste Lehre in einer Warnung vor Gruppendenken und Selbsttäuschung. Voraussetzung war die Annahme, ein regime change im Irak sei günstig, einfach und stoße nur auf geringen Widerstand. Im inneren Zirkel um George W. Bush und Vizepräsident Dick Cheney, zu dem ja auch Frum gehörte, habe man sich anschließend von allen Gegeninformation abgeschottet, „bis es zu spät war.“

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