Kolumne | Auf den Zweiten Blick
Kolumne | Auf den Zweiten Blick
Frohe Botschaften sind selten geworden in der katholischen Kirche. Es sind vielmehr die Nachrichten geballter Problem- und Konfliktlagen, die die Bischöfe in Deutschland nach ihrer Vollversammlung in Fulda weiter ver- und bearbeiten müssen. Der Mitgliederschwund ist mehr als bedrückend, ebenso das einbrechende Kirchensteueraufkommen oder die umstrittene Finanzierung der – inzwischen immerhin geklärten – Entschädigungsfrage für die Missbrauchsopfer aus laufendem Kirchensteueraufkommen. Hinzu kommen Störsignale aus Rom, die alles, was an Reformbemühungen hierzulande angestrengt wird, zunichte zu machen drohen: der beißende Argwohn gegenüber dem synodalen Weg etwa oder zuletzt die Absage an die Bemühungen einer ökumenischen Annäherung mit einer wechselseitigen Einladung zu Abendmahl oder Eucharistie.
Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing – zumindest verbal reformfreudig und aufbruchbereit, was schon viel ist –, hat sogar das bisher Undenkbare ausgesprochen: die Abspaltung von Rom. Natürlich nicht als Option. Im Gegenteil. Um die Wogen vor der Vollversammlung zu glätten, hat er versichert, dass es eine deutsche Nationalkirche nicht geben werde.
Moment mal: Warum eigentlich nicht?
Die deutsche katholische Kirche ist nicht arm. Sie zieht jährlich 6,6 Milliarden Euro an Kirchensteuern ein und sitzt auf einem milliardenschweren Immobilien-, Beteiligungs- und Aktienvermögen. Doch hat sie noch viel mehr auf der Habenseite: Kindergärten und Schulen, die überlaufen sind, weil vielen Eltern die christlichen Werte, die sie vermitteln, viel bedeuten, gut funktionierende Krankenhäuser und andere karitative Einrichtungen, aufrechte Seelsorger und hoch engagierte Gemeindemitglieder, darunter tausende von Frauen, die heute schon klug ihren Einfluss geltend machen und die man natürlich zu Diakoninnen weihen könnte.
Mehr noch: Die katholische Kirche in Deutschland verfügt – jenseits einer Handvoll ewig Gestriger in herausgehobener Stellung – noch immer über genügend kritische Vernunft, über Einsichtsfähigkeit in das Notwendige und über eine enorme Bereitschaft, sich auf die Gegenwart einzulassen. Soll die Institution hierzulande nicht implodieren oder einfach immer weiter verschwinden aus der Lebenswirklichkeit der Gläubigen, muss sie genau das alles in die Waagschale werfen. Die alten Herren an ihrer Spitze werden einiges an überkommenen Gewohnheiten und Überzeugungen riskieren müssen, um den Prozess der zunehmenden Bedeutungslosigkeit der Kirche hierzulande umzukehren. Das Risiko könnten sie sich durchaus leisten – notfalls auch ohne Rom.