Editorial des Verlegers
Editorial des Verlegers
Liebe Leserinnen und Leser,
es war eine bewegende Gedenkstunde im Deutschen Bundestag an diesem Donnerstag anlässlich des Holocaust-Gedenktages – keine Selbstverständlichkeit, kein leeres Ritual und dankenswerterweise auch keine selbstgefällige Selbst-Beglückwünschung für einen vermeintlich vorbildlichen Umgang mit der eigenen Geschichte.
Diese Beschreibung trifft auch Methode und Stil der historischen Essays unserer Autorin Andrea Löw. Die stellvertretende Leiterin des Zentrums für Holocaust-Studien am Institut für Zeitgeschichte (IfZ) in München verbringt derzeit einen Forschungsaufenthalt am United States Holocaust Memorial Museum in Washington. Von dort hat sie uns einen Text gesandt, der von den herzzerreißenden Funden in den Archiven über das Schicksal einer jungen Frau aus Wien erzählt, vom Stand der Forschung berichtet und dabei zugleich einige Irrwege der aktuellen Feuilleton-Debatte elegant kommentiert, dem „neuen Streit über den Holocaust“, wie ein Sammelband aus dem Hause C.H. Beck ihn jüngst nannte.
Sie können den Text von Andrea Löw auch als Audio-Version hören.
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Mit der unmittelbaren Gegenwart reichlich hasserfüllter rechter Verirrungen setzt sich in diesem Hauptstadtbrief Matthias Quent auseinander. Quent, Gründer des Instituts für Demokratie und Zivilgesellschaft (IDZ) Jena in Trägerschaft der Amadeu Antonio Stiftung, ist eine der Kapazitäten in der Erforschung extremistischer Tendenzen, nicht erst im Zuge der Pandemie. Quent bleibt aber nicht bei der Beschreibung der beklagenswerten Radikalisierung auf der Straße und diversen Internetplattformen stehen, sondern weist effektive Möglichkeiten der Eindämmung und des Schutzes der Gesellschaft vor den Solidaritätszersetzern auf.
Günter Bannas gelingt in seiner Kolumne wieder einmal das Kunststück, bundesrepublikanische Zeitgeschichte vermittels der Bundespräsidentenwahlen zu beschreiben und diese Geschichte bis ins Hier und Heute fortzuspinnen: Was sagt die erwartete Wiederwahl Frank-Walter Steinmeiers am 13. Februar über den Stand der Parteien des Deutschen Bundestages aus?
Anne Wizorek greift in ihrer Direktnachricht beklagenswertes geistig und materiell Versäumtes und Verdrängtes gegenüber jüdischen Bürgerinnen und Bürgern auf – und das umfasst Kunst und Kultur genauso wie gänzlich prosaische Rentenpolitik.
Im Postskriptum fragt sich Lutz Lichtenberger, welche gefährliche Binnenlogik Exzellenzen, Eminenzen und Heiligkeiten in der jüngsten Vergangenheit daran gehindert hat, zu erkennen, was für die katholische Kirche im Missbrauchsskandal moralisch und institutionell auf dem Spiel steht.
Mit herzlichen Grüßen verbleibe ich bis zur nächsten Woche
Ihr Detlef Prinz