Kolumne | Auf den Zweiten Blick
Kolumne | Auf den Zweiten Blick
Weiß ist die Macht. Und männlich. Immer noch – und man fragt sich, warum. Leuchtende Beispiele, dass es auch anders sein kann, gibt es längst. Barack Obama und Angela Merkel wurden als Regierungschefs weltweit prominent. Und trotzdem hat sich das – verfassungswidrige – Übel der Diskriminierung sogar in modernen Gesellschaften beharrlich gehalten. In Amerika hat die post-rassistische Ära mit Obama genauso wenig begonnen, wie sich die Chancen für Frauen in Führungspositionen hierzulande mit Merkel verbessert haben. Obama selbst hat auf den Rassismus in seinem Land keine politischen Antworten gefunden und Merkel nicht auf das Problem der Benachteiligung aufgrund traditioneller Rollenbilder. Man könnte fast sagen: Sie haben danach auch gar nicht erst gesucht, sondern das Thema wohlweislich vermieden. Afroamerikaner sind noch immer Bürger zweiter Klasse. Black lives still don’t matter. Und die Bundeskanzlerin hat sich nie wirklich für die Belange der Frauen stark gemacht – nicht zuletzt, um konservative männliche Wähler nicht zu verprellen.
Doch ist das nur die halbe Wahrheit. Es war stets eine Illusion, dass Mitglieder jener gesellschaftlichen Gruppen, denen nach Mehrheitskonsens Spitzenpositionen eigentlich gar nicht zustehen, als Vorbilder taugen, wenn sie es gegen alle Widerstände ganz nach oben schaffen. Merkel und Obama wissen genau, dass sie als Frau oder Schwarzer in ihrer beider Stellung ausschließlich über ihren Status als Ausnahme funktionieren, die die Regel bestätigt. Gerade deshalb entfalten sie auf die Lebenswirklichkeit der Menschen keine Wirkung. Ausnahmen verändern weder das Bewusstsein derer, die unter Benachteiligung leiden, noch derer, die Diskriminierung tagtäglich bewusst oder unbewusst praktizieren.
Die Diskriminierung ist strukturell. Gleichberechtigung wird ohne massive politische Interventionen weiterhin überall nur gepredigt, nicht gelebt. Verheerend daran: Die Einsicht der Benachteiligten in ihre begrenzten Möglichkeiten prägt ihren Umgang mit denselben, was wiederum die Diskriminierung befördert.
„Black Lives Matter“ – unter dem Slogan demonstrieren derzeit weltweit Millionen. Der Tod von George Floyd zeigt, wie wichtig die Bewegung ist. An die Namen derer, die sie 2013 ins Leben riefen, erinnert sich heute kaum noch jemand: Alicia Garza, Patrisse Cullors und Opal Tometi – drei schwarze Frauen.