Editorial des Verlegers
Editorial des Verlegers
Liebe Leserinnen und Leser,
dies ist eine besondere Ausgabe des Hauptstadtbriefs am Samstag. Es war uns in der Redaktion ein ausdrückliches Bedürfnis, dem Gespräch mit Christina Clemm, der Strafverteidigerin, Autorin – und außerordentlichen Persönlichkeit –, allen Raum zu geben. Denn Clemms Erklärungen, Überlegungen und ihre unbestechlichen Einschätzungen der Lage von Gewalt bedrohter Frauen, zu allen Zeiten, aber noch einmal verschärft durch die Bedingungen der Pandemie, lassen aufhorchen. Sollen aufhorchen lassen, denn die beklagenswerten Zustände sind noch immer nicht hinreichend in vielen Schichten angekommen, werden verdrängt, verharmlost oder gar abgetan.
Die bewussten und unbewussten Mechanismen der eingeschränkten Wahrnehmung fangen mit unzutreffenden Begrifflichkeiten an, gehen weiter mit noch immer unzulänglichen Hilfsangeboten für bedrohte Frauen und führen schließlich zu dem Wort, das allzu oft verwendet wird, aber in diesem Fall angebracht ist und zum Ehrlichmachen dazugehört: dem Mentalitätswandel. Dabei sollte niemand vor Schreck auf den Baum klettern, es geht nicht um pauschalisierte Anklagen gegen diejenigen, die reflexhaft und allzu leichtfertig sich wehren zu müssen glauben, die Angst vor jeder Irritation ihres Selbstbilds haben.
Es gilt vielmehr, sich selbst in aller Ruhe zu befragen, eigene Denk- und Wahrnehmungsmuster einer Prüfung zu unterziehen und mit Neugier und Offenheit sich selbst und die Welt zu betrachten – und Hilfe und Unterstützung zu leisten, wo es möglich und nötig ist.
Es sollte schlechtere Vorsätze für das neue Jahr geben.
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Außerdem meldet sich in diesem Hauptstadtbrief auch unser Herausgeber Ulrich Deppendorf mit einem im besten Sinne schnörkellosen Kommentar zum aktuellen Koalitionsstreit über Impfstoffe und der Notwendigkeit, mit Bürgerinnen und Bürgern Klartext zu sprechen. Und das gilt für alle Parteien der Großen Koalition.
Mit herzlichen Grüßen verbleibe ich – bis morgen
Ihr Detlef Prinz