Kolumne | Direktnachricht
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In einer Rede aus dem Jahr 1975 sagte die Schriftstellerin Toni Morrison einmal, dass Rassismus den schwerwiegenden Zweck habe, von der eigentlich notwendigen Arbeit abzulenken. Ihre Worte hallen immer besonders laut nach, wenn „Debatten“ ablaufen, wie sie in der letzten Woche über die taz-Kolumne „All cops are berufsunfähig“ und anhand der Person von Hengameh Yaghoobifarah geführt wurde.
Ja, Debatte in Anführungszeichen. Vielmehr haben wir es nämlich mit einer gewaltvollen Diskursverfälschung zu tun, nicht nur, aber vor allem ausgeübt durch Horst Seehofer. Ein Innenminister, der über die Bild-Zeitung eine Kampagne gegen eine Einzelperson initiiert, sie also bewusst zur Zielscheibe für Hass und Gewalt macht, um an ihr ein Exempel zu statuieren.
Wenn tatsächlich diskriminierenden „Man wird ja wohl noch sagen dürfen“-Texten und -Aussagen laut widersprochen wird – von denen es im übrigen weiter unzählige Beispiele gibt –, ist angeblich immer gleich die Meinungsfreiheit in Gefahr. Doch wenn ein Innenminister seine Machtposition missbraucht, um die Presse- und Meinungsfreiheit anzugreifen, weil ihm ein satirischer Text mit Strukturkritik nicht passt, soll das keine erschreckende Eskalation sein?
In Deutschland gilt eben am Ende immer noch, dass Kritik an Rassismus grausam ist und nicht etwa der Rassismus selbst. Oder wie es in einer deutschen Redewendung heißt, die vielleicht auch Horst Seehofer kennt: Getroffene Hunde bellen.
Diese Getroffenen machen sich außerdem gerne selber zum Opfer und verzerren damit die tatsächlichen Machtverhältnisse, um sich ihrer Verantwortung zu entledigen, vom – Sie ahnen es – eigentlichen Problem abzulenken und damit die Diskriminierung marginalisierter Menschen fortzusetzen.
Die Autorin Ayesha Khan fasste es auf Twitter so zusammen: „Reminder: Lasst keine Diskursverschiebung zu. Hier geht es nicht nur um Presse- & Meinungsfreiheit oder ‚Randale in Stuttgart‘, sondern, dass seit einigen Wochen auch die Kritik an deutscher Polizei, Polizeigewalt & systemischen Rassismus lauter wird. Deshalb #Seehoferuecktritt“.
Horst Seehofer hat sich nicht entschuldigt, er ist nicht zurückgetreten. All das ist aber überfällig. Wir dürfen also weder davon abgelenkt werden, dass dies ein unhaltbarer Zustand ist, noch davon, dass der Kampf gegen Rassismus jetzt erst recht im Fokus bleiben muss.