Kolumne | Aus dem Bannaskreis
Kolumne | Aus dem Bannaskreis
Feministische Außenpolitik, der von Annalena Baerbock zwar nicht erfundene, aber popularisierte Begriff, ist hinreichend provozierend, unbestimmt und hilfreich zugleich. Ihre Partei ist begeistert, und – nicht zuletzt – werden Gegner von Medienleuten bis Friedrich Merz in Wallung gebracht.
Sie lässt sich auch öffentlich leicht präsentieren: Gespräche mit aus der Ukraine geflüchteten Frauen, Stellungnahmen zur Unterdrückung von Frauen im Iran, der Türkei und anderswo, dazu noch Personalpolitik im Auswärtigen Amt. Und eine – imageförderliche – Überschrift für sich hat Baerbock auch. Es scheint, als habe die Grünen-Politikerin von Hans-Dietrich Genscher, dem omnipräsenten Altmeister deutscher Außenpolitik, gelernt. Die hat immer auch mit Innenpolitik zu tun – und mit Parteipolitik natürlich.
Als die Führungen der Ampelparteien daran gingen, die Spitzen der Ministerien zu verteilen, konkurrierten die kleineren Partner um das Finanzministerium: Robert Habeck oder Christian Lindner. Wie auf dem Ramschtisch der Verhandlungen lag das Auswärtige Amt, das früher ein Synonym für „Vizekanzler“ war und internationales Renommee versprach. Doch lag es stets im Schatten des Bundeskanzleramtes. Alles, was bedeutsam in der Außenpolitik bedeutsam war, reklamierten die Kanzler für sich: Washington, Moskau, Peking und Brüssel. Den Außenministern blieb der minderwichtige Rest. Zumal in den Kanzlerjahren Angela Merkels fügten sie sich. Ein eigenständiges Profil entwickelten sie nicht, zuletzt Heiko Maas. Außenpolitik schien auf die Abgabe wichtigtuerischer Erklärungen zur internationalen Lage reduziert. Gerne hätte es die SPD gesehen, dass das so bliebe. Rolf Mützenich etwa, der Baerbock, kaum war sie im Amt, mit dem Hinweis beschied, Außenpolitik werde im Bundeskanzleramt gemacht. Wie ihre Vorgänger habe Baerbock folgsam Assistenz zu leisten, hieß das. Als habe es der SPD-Fraktionsvorsitzende geahnt.
Baerbock („Ich komme eher aus dem Völkerrecht“) versteht es wie lange kein Außenminister mehr, sich gegenüber dem Kanzler zu behaupten. Sogar Widerworte wagt sie. Den Grundstein dafür hatte sie gelegt, weil sie im Wahlkampf – im Gegensatz zu Olaf Scholz und Armin Laschet, den beiden anderen Kanzlerkandidaten – die deutsch-russische Gaspipeline ablehnte. Sie sollte recht behalten. Von wegen Richtlinienkompetenz. Den Begriff von der wertebasierten Außenpolitik hat Baerbock „besetzt“. Seit dem Überfall auf die Ukraine tritt sie gegenüber Putin entschlossener auf als Scholz. So auch gegenüber China – etwa im Streit um dessen Beteiligung an einem Hamburger Container-Terminal.
Weil sie sich bei der Aufgabenverteilung die internationale Umweltpolitik in ihr Ministerium holte, spielt Baerbock auch auf dieser – für die Grünen bedeutsamen – Klaviatur. Jüngst wurde sie als „Politikerin des Jahres“ ausgezeichnet. Jean-Yves Le Drian, ehemaliger französischer Außenminister, hielt die Laudatio. Baerbocks „Klarheit und politischen Mut“ lobte er. Von einer „diplomatischen Liebe auf den ersten Blick“ sprach er. Einst hatte Genscher diesen Preis erhalten – für sein „Lebenswerk“.