Die Kandidatur Hans-Georg Maaßens offenbart die Zerrissenheit der Union. Armin Laschet übt sich in Windungen
Die Kandidatur Hans-Georg Maaßens offenbart die Zerrissenheit der Union. Armin Laschet übt sich in Windungen
Wird Armin Laschet auf Hans-Georg Maaßen angesprochen, ist ihm meist anzumerken, dass er dieses Thema gerne aussparen würde. Für den CDU-Parteichef gibt es dort einfach nichts zu gewinnen. Äußert er sich zu negativ zu Maaßen, verprellt er die vermeintlich „Konservativen“, heißt er die Kandidatur gut und wünscht ihm möglicherweise auch noch Glück für die Wahl, alle anderen.
Wie schmal der Grat in der Union in solchen Fällen geworden ist, konnte er an seiner Vorgängerin Annegret Kramp-Karrenbauer beobachten. Nach ihrer Wahl zur Parteivorsitzenden hatte sie sich zunächst um diejenigen gekümmert, die gerne Friedrich Merz als CDU-Chef gesehen hätten, auch um die, die am rechten Rand der Partei stehen – und das haben ihr dann einige Unterstützer übelgenommen. Dann wiederum nannte sie Maaßen in einem Atemzug mit einem Parteiausschlussverfahren – das brachte ihr auch nicht nur Applaus ein. Nun muss Laschet mit dieser Personalie umgehen – aber nicht nur er. Denn der ehemalige Verfassungsschutzpräsident wäre, falls er gewählt wird, ab Herbst dieses Jahres Teil der Unionsfraktion.
Hört man sich dort um, sind viele bemüht, der Kandidatur Maaßens nicht zu viel Aufmerksamkeit zukommen zu lassen, sie sei eine von 299, das gehöre eben auch zur Breite der Partei. Aber Begeisterung hört man auch kaum, selbst bei denjenigen, die Anhänger Maaßens waren, ihn für einen guten Verfassungsschutzpräsidenten hielten und verteidigt haben, als er aus diesem Amt entlassen wurde. Stattdessen ist auch dort ein gewisses Befremden über Maaßens Äußerungen in der jüngsten Vergangenheit wahrzunehmen. Immer wieder ist zu hören, einige seiner Aussagen möchte man sich nicht zu eigen machen.
In den vergangenen Monaten ist Maaßen unter anderem damit aufgefallen, dass er immer wieder auf Vokabular zurückgriff, das mindestens in AfD-nahen Kreisen anschlussfähig ist. Auch seine Thesen dürften teilweise in Kreisen der neuen Rechten ihre Befürworter finden, wie etwa zum Klimawandel oder zur Migrationspolitik.
Dennoch versuchen es viele Abgeordnete gelassen zu sehen, dass er bald nun Teil der Fraktion sein könnte. Für viele geht es erstmal um den eigenen Wahlkreis, um einen erfolgreichen Bundestagswahlkampf, da erscheint es als wenig hilfreich, einem umstrittenen Kandidaten noch einmal mehr Aufmerksamkeit zukommen zu lassen, indem man sich mit wehenden Fahnen hinter oder gegen ihn stellt.
Das würde wohl die sowieso schon schwierige Ausgangsituation für die Union nicht einfacher machen, weil dies auch innerparteilichen Streit mit sich bringen könnte. Denn dass Maaßen für viele eben doch nicht nur einer von 299 ist, zeigten die Reaktionen nach seiner Wahl zum Direktkandidaten im Wahlkreis 196 in Südthüringen. So schrieb die Staatssekretärin für Integration in Nordrheinwestfalen, Serap Güler – übrigens eine Laschet-Vertraute – dazu auf Twitter: „Ihr habt echt den Knall nicht gehört! Wie kann man so irre sein und die christdemokratischen Werte mal eben über Bord schmeißen? Wer so große Angst vor der AfD hat, hat so vieles längst aufgegeben. Ein bitterer Tag.“ Harsche Worte.
An den Reaktionen von Laschet über Güler bis hin zur Fraktion ist eben auch festzumachen, dass es bei der Causa Maaßen nicht ausschließlich um eine Personalie geht. Dahinter stehen auch Konflikte, die vor allem die CDU seit langem begleiten und nun in diesem Jahr, in dem die Post-Merkel-Ära beginnt, sichtbar werden: Unter anderem geht es darum, wie das Verhältnis Basis zu Parteigremien, ist, wer bei wichtigen inhaltlichen und personellen Fragen bestimmt und auch nach wie vor, wie ein gutes Rezept gegen die AfD aussieht, und damit auch, wie breit eben jene beschworene „Breite der Partei“ ist. Eine Frage, die vor allem einige Ost-CDU-Landesverbände umtreibt.
In diesem Jahr finden in wahrscheinlich drei Ost-Bundesländern (noch nicht abschließend ist entschieden, ob auch in Thüringen ein neuer Landtag gewählt wird) Landtagswahlen statt. Die erste steht schon in der kommenden Woche an: in Sachsen-Anhalt.
Im Gegensatz zu den West-Bundesländer, wo die Union vor allem mit den Grünen um Wählerinnen und Wähler konkurriert, ist dort die AfD der Hauptgegner für die CDU. In Sachsen-Anhalt ist sie in Umfragen zweitstärkste Kraft, knapp hinter den Christdemokraten. Eine Umfrage sah sie sogar schon auf Platz eins. Maaßen steht für diejenigen, die glauben, durch Fischen im Teich der AfD, durch eine Kursänderung der CDU ließen sich Wählerinnen zur Union zurückholen.
In Anbetracht dessen ist es für Laschet schwer, sich klar zu positionieren, was den ehemaligen Verfassungsschutzpräsidenten betrifft, weil die Gefahr groß ist, dass ihm das die Verfechter des Kurses, für den Maaßen steht – er selbst kandidiert ja nicht in Sachsen-Anhalt sondern im benachbarten Thüringen –, übelnehmen und dies sich dann auch an der Wahlurne auswirkt – eben eine Gratwanderung.
Und für Laschet ist die Wahl in Sachsen-Anhalt eine wichtige Wahl – am Wochenende wird er einen gemeinsamen Termin mit dem CDU-Spitzenkandidaten in Sachsen-Anhalt und Ministerpräsident Reiner Haseloff absolvieren. Geht diese Wahl nicht gut aus für die CDU, sollten sich einige in der Landespartei gar offen für eine Koalition mit der AfD aussprechen, macht das Laschets Kampf um Merkels Nachfolge im Kanzleramt alles andere als leichter – auch weil der Konflikt der Schwesterparteien, die sich doch gerade erst wieder geschworen haben, zusammenzustehen, wieder aufflammen könnte. Gerade in Sachsen-Anhalt sprach sich schließlich die Union entschieden für Markus Söder als Kanzlerkandidaten aus, da man sich mit ihm bessere Chancen ausrechnete.
Für die Fraktion im Bundestag wird die Personalie Maaßen vor allem nach der Wahl eine Herausforderung. Denn sollte er Teil dieser werden, ist natürlich die Frage, ob er sich einbinden ließe, und wenn ja, wie? Oder begibt er sich in die Rolle des vermeintlich letzten aufrichtigen Kämpfers für die „wahre CDU“? Viel hängt wohl auch davon ab, welche Rolle die Union in einem zukünftigen Bundestag hat. Stellt sie wieder die Regierung, ist die Fraktion meist nicht die treibende Kraft. Landet sie aber in der Opposition, könnten die jetzt schon schwelenden Konflikte über den Kurs der CDU ungehemmt aufbrechen und sich vor allem in der Fraktion, die dann zu einem deutlich stärkeren Machtzentrum würde, abspielen.