Kolumne | Auf den Zweiten Blick
Kolumne | Auf den Zweiten Blick
Hephaistos, der Sohn von Zeus und Hera, schuf einst auf Geheiß seines Vaters eine Frau aus Lehm und nannte sie Pandora. Berühmt wurde sie ausschließlich für ihre Büchse und das Unheil, welches sie dadurch über die Menschen brachte, dass sie ihre Neugierde über den Doseninhalt wider die Anweisung des Göttervaters nicht ihm Zaum zu halten wusste. Das Übel, das dem unseligen Behälter entwich, ereilte die Erde in Form aller denkbaren Laster und Untugenden, an denen sich die Öffentlichkeit immer dann genüsslich delektiert, wenn Prominente und Superreiche davon betroffen sein könnten. Denn deren offensichtlichstes Laster scheint die Gier.
Nicht minder genüsslich und in der Intention allzu transparent hat ein Rechercheverbund den Namen Pandora für ein „Projekt“ gewählt, im Rahmen dessen es Millionen geleakter Daten ausgewertet und damit das Finanzgebaren von Politikern, Prominenten und Firmen publik gemacht hat: „Pandora Papers“. Der Name liefert die moralische Verurteilung gleich mit. Die nun öffentlich benannten Personen stehen ob ihrer Geldgeschäfte am Pranger. Einen Wikipedia-Eintrag gibt es auch schon (so schnell geht das sonst nicht). Wer mag, kann sich die Liste der Betroffenen genauer anschauen.
Nein, es ist nicht schön, wenn gerade die Superreichen versuchen, Steuerzahlungen zu vermeiden, so sie es denn überhaupt getan haben. Es ist auch nicht klug, wenn Claudia Schiffer, Elton John oder Tony Blair hinter Firmennamen verdeckt investieren, obwohl sie natürlich ein Recht darauf haben, dass nicht jeder weiß, was ihnen gehört.
Allerdings ist, anders als die Betitelung der Papiere suggeriert, damit noch überhaupt nicht gesagt, wer das Finanzamt betrügt und wer nicht oder wer sein Geld aus dunkleren Kanälen zieht. Genau das ist die Krux der Arbeit des Recherchenetzwerkes, das sich mit der Nennung von ein paar hundert vermeintlichen Übeltätern in Szene setzt und nur in einer Fußnote darauf hinweist, dass nicht alles illegal sein könnte.
Vor der Veröffentlichung solcher Daten müsste eigentlich eine erste doppelte Recherche stehen. Die nämlich nach der Illegalität des Tatbestandes solcher Konten und Briefkastenfirmen und vor allem nach der Herkunft des Geldes, das da auf Offshore-Konten seiner Verwendung harrt. Erst wer darum weiß, wäre berechtigt, öffentlich Menschen in den Verdacht von Unrechtstatbeständen zu rücken, so sie sich denn auf solchen Listen finden. Diese Arbeit aber hat noch gar nicht stattgefunden.
Insofern ließe sich nicht nur über die moralische Einstellung derer diskutieren, die sich – legal oder illegal – am Fiskus vorbeischieben, sondern auch über die Art und Weise, solche Leak-Projekte öffentlichkeitswirksam zu verarbeiten, da doch zumindest in Deutschland – dem Rechtsstaat sei Dank – vor dem Beweis der Schuld die Unschuldsvermutung steht.