Das Sterben der Anderen

Drei Jahre Corona – was lernen wir daraus für das Verhältnis von Mensch und Tier?

18
02
PICTURE ALLIANCE/DPA/DPA-ZENTRALBILD | JENS BÜTTNER
Das Kunstwerk „Insulaner“ aus nachgebildeten Viren von der Künstlerin Barbara Krautmann auf dem Gelände des Friedrich-Loeffler-Institut auf der Insel Riems.*
18
02
PICTURE ALLIANCE/DPA/DPA-ZENTRALBILD | JENS BÜTTNER
Das Kunstwerk „Insulaner“ aus nachgebildeten Viren von der Künstlerin Barbara Krautmann auf dem Gelände des Friedrich-Loeffler-Institut auf der Insel Riems.*

Das Sterben der Anderen

Drei Jahre Corona – was lernen wir daraus für das Verhältnis von Mensch und Tier?

Von der Pandemie möchte niemand mehr etwas hören, schon gar nicht, dass das damals auf nicht immer transparente und nicht gerade kostengünstige Weise beschaffte Material (Masken, Schutzanzüge, etc.) nach Ablauf der Fristen nun ungenutzt verfeuert werden soll. Die öffentlichen Verwaltungen und das private Gesundheitswesen waren nicht im mindesten auf die Infektionswellen vorbereitet. Daraus könnte man lernen, denn „Corona“ wird nicht die letzte Pandemie gewesen sein. Doch dazu muss man tiefer nachdenken.

Die Corona-Viren SARS-1 und SARS-2 sind Zoonosen, die ihren Ursprung mit großer Wahrscheinlichkeit bei Fledermäusen und anderen Kleinsäugern haben. Dass die Übertragung des Virus von einer Fledermaus über einen nicht identifizierten Zwischenwirt auf dem Wildtiermarkt von Wuhan zum Menschen stattgefunden hat, gilt als plausibelste Erklärung. Bei einem derart vielbesuchten Markt ist anzunehmen, dass eine zu große Nähe von Mensch und Tier ein- oder wechselseitige Infizierungen ausgelöst haben. Wobei „zu groß“ zu vage ist: Dass Menschen tierische Gefährten in und an ihren Häusern halten, ist kulturgeschichtlich ebenso global verbreitet wie der Kontakt bei der Züchtung, der Mästung und dem Verkauf von Tieren, bei Ackerbau, nomadischen Wanderungen und Jagd. Überall können Ansteckungen erfolgen, und als „zu groß“ erweist sich Nähe dann, wenn die hygienischen und sanitären Vorkehrungen nicht ausreichend sind.

Nach dem einstweiligen Abflauen der Covid-19-Pandemie wird vor einem „weitaus tödlicheren Krankheitserreger“ laut New York Times gewarnt, dem H5N1-Virus, im Volksmund bekannt als Vogelgrippe-Erreger. Der hat schon häufiger zu Massensterben und Massentötungen in der agroindustriellen Tierhaltung geführt; Menschen wurden bisher nur selten angesteckt, aber im Fall einer Infektion versterben über die Hälfte der Erkrankten. Vorgekommen sind Fälle aviärer Influenza in größerer Zahl vor allem in Asien und Afrika bei Personen, die beim engen Kontakt zu erkranktem oder verendetem Geflügel große Virusmengen aufgenommen hatten. Nur in Einzelfällen wurde das Virus dann auf andere Menschen übertragen, doch als alarmierend gilt nun, dass Übertragungen auf andere Vogelarten und Säugetiere, wie in einer Nerzfarm in Spanien, gemeldet wurden. Dadurch wächst wiederum die Gefahr der Übertragung auf Menschen, vor allem bei solchen, die wilde Tiere halten wie Frettchen.

Während die Weltgesundheitsorganisation und nationale Gesundheitsämter diverse Präventivmaßnahmen eingeleitet haben, betrifft eine tiefergehende Lehre die Modalitäten der Tierhaltung und -vermarktung. Drei globale Risiken für mehr Infektionskrankheiten sind identifiziert worden: Medikamenten-Resistenzen etwa bei sogenannten Krankenhauskeimen begünstigen die Ausbreitung von Tuberkulose, Malaria und HIV. Der Klimawandel verschiebt Reservoir-Tiere und Überträger-Insekten samt der von ihnen übertragenen Krankheiten wie Dengue-, Chikungunya- und West-Nil-Fieber nach Norden. Und vor allem ist die Massentierhaltung auf engem Raum ein Inkubator von Virusübertragungen und -mutationen. Auch das Vordringen von Menschen in unberührte Naturgebiete wie bei der Rodung der Regenwälder erhöht das Risiko bisher unbekannter Zoonosen.

Anpassungen im allseits strapazierten Gesundheitswesen werden gefordert und hier und da auch eingeleitet, wobei an dessen überholten Kostenrechnungen und Systemdefiziten kaum jemand rütteln möchte. Ebenso wichtig ist die Minderung des gefährlichen Klimawandels, dessen gesundheitliche Folgen den meisten Menschen bisher kaum bewusst geworden sind; zu den bekannten Folgen von Hitzewellen und Extremwetter kommen infektiologische Risiken.

Doch am wichtigsten wäre eine grundlegende Korrektur der agroindustriellen Massentierhaltung und eine Überprüfung aller Verhältnisse, in denen sich Mensch und Tier „zu nahe“ kommen. Es war kein Zufall, dass die Beschäftigten in Schlachthöfen mit am stärksten von der Pandemie getroffen waren. Dabei geht es nicht nur um das Wohl der Menschen, sondern auch um das „Tierwohl“, eine hierzulande immer noch unscharfe Kategorie ohne politischen Biss. Es gebietet generell eine stärkere Rücksichtnahme auf Wesen, die wir romantisieren und nutzen, vermenschlichen und töten, aber immer noch nicht als Gefährten wahrnehmen und beschützen wollen. Die Verringerung des Fleischkonsums, aus Gesundheitsgründen ohnehin angezeigt, dürfte auch deshalb angemessen sein.

* Titelbild: Das Kunstwerk „Insulaner“ aus nachgebildeten Viren von der Künstlerin Barbara Krautmann auf dem Gelände des Friedrich-Loeffler-Institut auf der Insel Riems. Das Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit hat den Auftrag, einerseits die Gesundheit von lebensmittelliefernden Tieren zu erhalten und andererseits Menschen vor Zoonosen zu schützen.

Weitere Artikel dieser Ausgabe