Kolumne | Direktnachricht
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Eine „Akte der Schande“ nannte UN-Generalsekretär António Guterres den neuesten Teilbericht des Weltklimarates IPCC, als dieser Anfang April veröffentlicht wurde. In ihm ist erneut festgehalten, wie wirksamer Klimaschutz bislang verhindert wird und gerade die wohlhabendsten 10 Prozent der Weltbevölkerung 34 bis 45 Prozent aller Treibhausgasausstöße verantworten. Doch obwohl die Klima-Expert_innen in ihrem Report klare Worte finden und Superreiche passend als „Dreckschleuder Elite“ bezeichnen sowie zwischen den Zeilen quasi zur Revolution aufrufen, fiel die mediale Berichterstattung über das wegweisende Dokument bescheiden aus. Die 20-Uhr-Sendung der Tagesschau widmete dem Thema nicht eine Sekunde.
Ist es abgeklärter Fatalismus? Überforderung angesichts eines komplexen Themas? Die Sorge, sich Aktivismus vorwerfen lassen zu müssen, wenn drohende Klimaszenarien benannt werden? Geht unsere brennende Welt medial unter, weil sie bereits in Form von Kriegen und einer Pandemie am Lodern ist?
Ist es All of the above?
Dabei lässt sich die Klimakrise nicht vom russischen Angriffskrieg auf die Ukraine lösen, da unser Geld für fossile Brennstoffe Putins Kriegskasse füllt. Wenn Ökosysteme durch die Klimakrise weiter zerstört werden, begünstigt das wiederum die Verbreitung neuartiger Viruserkrankungen und somit auch von Pandemien. Der IPCC-Bericht hat aber schon deshalb Nachrichtenwert, weil er nicht nur unsere Probleme benennt, sondern insbesondere die Hebel, die dringend bewegt werden müssen, um noch Schlimmeres abzuwenden.
Erneuerbare Energien, elektrische Fortbewegungsmittel, CO2-arme Technologien – sie alle gibt es und sie müssten nur endlich umfassend zum Einsatz kommen. Nicht erst in ein paar Jahren, sondern sofort. Und ja, unsere Wirtschaft und Gesellschaft auf diese Weise zu transformieren, das kostet auch Geld – trotzdem bleibt ein ungebremster Klimawandel immer noch der höchste, tödliche Preis, den kein Mensch auch nur eine Sekunde länger zahlen sollte.
Doch jetzt fängt wieder das „Deadline-Feilschen“ an, und man behauptet, laut IPCC-Report müsse man spätestens in drei Jahren, also erst 2025, aktiv werden. Davon abgesehen, dass selbst drei Jahre nicht viel Zeit sind, besagt der Bericht des Weltklimarats, dass die globalen Emissionsraten für Treibhausgase schon das Höchstmaß erreicht haben. Es darf längst nicht mehr überstiegen werden, sondern muss vielmehr sinken, um noch halbwegs realistisch in Nähe des 1,5-Grad-Ziels der Erderwärmung zu bleiben.
Die unzureichende mediale Abbildung der Klimakrise ist die eine Seite, die andere ist der daraus resultierende fehlende Druck auf die politisch Verantwortlichen, die ihre Klima-Versprechen derzeit lieber verschleppen oder brechen. Klimaaktivistin Luisa Neubauer kommentierte den ICPP-Bericht treffend: „Wir haben kein Informations- oder Forschungsproblem. Wir haben ein Problem der politischen Ignoranz, des fehlenden politischen Willens.“ Das Wissen über die Klimakrise ist da. Was es jetzt braucht, ist das Handeln – und zwar am besten gestern. Damit wir überhaupt ein Morgen zum Darüber-Nachdenken haben.