Dear Mr. President

Ein Brief des Verlegers Detlef Prinz an den neuen US-Präsidenten Joe Biden

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Dear Mr. President

Ein Brief des Verlegers Detlef Prinz an den neuen US-Präsidenten Joe Biden

herzlichen Glückwunsch! Wenn Sie heute um 12 Uhr Washingtoner Ortszeit Ihren Eid auf die amerikanische Verfassung schwören und als 46. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika vereidigt werden, dürfte zugleich ein Stoßseufzer der Erleichterung um die Welt gehen. Die Verirrung ist zu Ende. Amerika ist zurück.

Aber machen wir uns bei aller Freude nichts vor – es wird keine einfache Präsidentschaft werden. Unter normalen Umständen wäre es wahrlich unangebracht, wohlfeil die inneren Angelegenheiten der USA zu kommentieren, aber die Umstände, unter denen Sie Ihr Amt antreten, sind dann doch zu außergewöhnlich. Donald Trump hat sich auf internationaler Bühne, gelinde gesagt, wie der Elefant im Porzellanladen verhalten, die Nato totgesagt, das Pariser Klimaabkommen, den Nukleardeal mit dem Iran und den INF-Vertrag (Intermediate Range Nuclear Forces Treaty) aufgekündigt und unverhohlen seine Sympathien für Autokraten aller Herren Länder bekundet. Schließlich hat er auch wie kein Amtsinhaber der USA jemals zuvor die Legitimität der Präsidentschaftswahlen in Frage gestellt und seine Anhänger zum Sturm auf das Kapitol aufgerufen.

Aber zu einem transatlantischen Neuanfang gehört auch, dass wir in Deutschland und Europa ab heute die USA nicht mehr an den irrationalen und schon beinahe gegenüber der Idee eines freiheitlich-demokratischen Westens feindseligen Grundhaltungen und Manövern Ihres Vorgängers messen.

It takes two to tango – keine Frage, zu einem Neuanfang der internationalen Beziehungen gehören immer beide Seiten, einmal vorausgesetzt, dass Europa in der Lage ist, mit einer Stimme zu sprechen – wenn auch erst nach einigen Schaltkonferenzen, in Anlehnung an Henry Kissingers berühmte Frage, wen er denn anrufen solle, wenn er Europa an den Hörer bekommen wolle.

Das heißt, Deutschland, die europäischen Mitgliedsstaaten der Nato und die Europäische Union müssen über die üblichen Lippenbekenntnisse hinaus dazu bereit sein, bei allen Fragen im Detail, mehr Aufgaben im gemeinsamen Verteidigungsbündnis zu übernehmen. Das hieße, im Umgang mit China eine gemeinsame Linie zu finden, zwischen dem eher konfrontativen amerikanischen Kurs und dem eher zur Kooperation neigenden europäischen einen stabilen Mittelweg, im Interesse aller beteiligten Länder – und nicht weniger als Signal an die restliche Welt. Denn bei allen hochtrabenden, vermeintlich typischen Lobgesängen auf das „westliche Modell“ haben viele Menschen auf der Welt dessen Praxis alles andere als befreiend erlebt.

Es bleibt unser gemeinsamer Auftrag, die universellen Prinzipien der Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zur spürbaren Lebenswirklichkeit werden zu lassen.

Und es bleibt dabei: Keine militärische Macht der Welt ist stärker als die soft power jener Ideen, die zur freien Entfaltung jedes und jeder Einzelnen, zu Sicherheit und Wohlstand aller Länder führen.

Ich durfte Sie, Mr. President, in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten als Senator und Vizepräsident unter Barack Obama, auf diplomatischem Parkett, als Gast der Münchner Sicherheitskonferenz und in persönlichen Gesprächen erleben. Ich war bei all unseren Begegnungen beeindruckt von Ihrer Neugierde und Ihrem Detailwissen, Ihrem nimmermüden Einsatz und Verhandlungsgeschick, Ihrer so greifbaren Souveränität und Ruhe auch in schärferen Auseinandersetzungen mit Freunden oder Widersachern.

All diese Eindrücke und Erfahrungen stimmen mich zuversichtlich, dass Sie bereit und in der Lage sein werden, dem außenpolitischen Kurs der Vereinigten Staaten in den kommenden vier Jahren eine entscheidende Wende zu verleihen. Die Aufgabe ist herausragend, und die Erwartungen Ihrer Partner in der Welt sind es auch, geht es doch um nichts weniger, als die Rolle der USA als Führungsnation des Westens im besten Sinne wiederzubeleben und mit Ihren Partnern in Deutschland und Europa für Frieden und Freiheit einzutreten. Wie ein früherer amerikanischer Präsident zu sagen pflegte: „Break’s over.“ Alle zusammen: An die Arbeit!

Detlef W. Prinz ist Verleger der englischsprachigen Zeitungen The Atlantic Times, The German Times und The Security Times in den USA und Vorsitzender der Karl-Schiller-Stiftung.

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