Die SPD braucht einen Kanzlerkandidaten – jetzt. Und der richtige Mann steht auch bereit
Die SPD braucht einen Kanzlerkandidaten – jetzt. Und der richtige Mann steht auch bereit
Ein Intrigantenstadl, dieser SPD–Vorstand – so beschrieben vor ein paar Monaten mehrere ehemalige SPD-Vorsitzende wie Björn Engholm, Kurt Beck und Sigmar Gabriel in der Süddeutschen Zeitung die Zustände in den Führungsgremien ihrer Partei. Ein weiteres Charakteristikum: Immer wenn die SPD erfolgreiche Politik gemacht hat, schuf sie sich ein Problem mit ihren Führungsfiguren, besonders mit ihren Kanzlern: Mit Willy Brandt, mit Helmut Schmidt, mit Gerhard Schröder. Sie wurden von ihren eigenen Parteigenossen so sehr beschädigt, dass sie entweder abdanken mussten oder eine Wahl verloren.
Über die Hartz-IV-Gesetze und deren Folgen haben die Sozialdemokraten leidenschaftlich gestritten. Am Ende haben sie sich von der Politik ihres Kanzlers Gerhard Schröder distanziert. Sie waren so lange mit sich selbst im Unreinen, dass sich ihre Wähler aus Enttäuschung, Verzweiflung und Wut anderen Parteien zuwandten. Leider auch der AfD. Die traditionsreiche SPD war kein Anker mehr – weder für die sogenannte alte Arbeiterklasse noch für die sogenannte neue digitale Arbeiterklasse und auch nicht für Schriftsteller, Künstler oder Studenten. Sie hatte auch noch das Pech – oder war es Unvermögen? –, dass die CDU-Kanzlerin Angela Merkel in der Groko viele SPD-Themen selbst abräumte und die Erfolge der SPD in der Öffentlichkeit unter Wert verkauft wurden.
In den Krisen der vergangenen Jahre strahlte am Ende immer Merkel, und die einstige mächtige Volkspartei SPD schaffte es bis zuletzt nicht, aus dem Umfragetal von 15 bis 16 Prozent herauszukommen. Dabei half, dass die SPD ein neues innerparteiliches Streitthema entdeckt hatte: den Verbleib in der Regierungskoalition.
Mit einer hippen Roadshow und einer dann aber schlappen Mitgliederbefragung sollte nach dem bitteren Abgang von Andrea Nahles ein neues strahlendes Vorsitzendenpaar gewählt werden. Getrieben vom Juso-Vorsitzenden Kevin Kühnert wurden es jedoch nur zwei mäßig bekannte Genossen: Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans. Sie gewannen mit dem Slogan: Scholz verhindern und raus aus der Groko. Doch kaum gewählt, galt das Versprechen in Sachen Koalitionsausstieg schon nicht mehr. Das war die nächste Enttäuschung für Parteimitglieder und Groko-kritische SPD-Wähler. Eskens und Walter-Borjans haben ihrer Partei bis heute keinen neuen Schub verpasst.
Dann kam Corona. Olaf Scholz und Hubertus Heil entwickelten sich in der Krise zu SPD-Fixpunkten – neben der CDU-Kanzlerin, die wiederum erneut zum großen Umfragestar wurde und die Union zurück in die 40-Prozent-Region aufstiegen ließ. Bei der SPD fielen die neuen Vorsitzenden dagegen mit vorschnellen, unglücklichen und unbedachten Äußerungen auf. Eskens Rassismus-Vorwurf gegen die Polizei ist das jüngste Beispiel. Mit ihrem plötzlichen Schwenk im Koalitionsausschuss hin zur E-Mobilität vergraulten die beiden SPD-Vorsitzenden dann auch noch die Arbeiter in den Automobilwerken.
Das neue Vorsitzenden-Duo hat nicht die Statur, diese Entscheidung den VW-, Mercedes- oder BMW-Arbeitern mit der notwendigen Autorität zu erklären. Das Verhältnis zu den Gewerkschaften ist nachhaltig beschädigt.
Und dann ist da noch die K-Frage. Ob die SPD-Führung es mag oder nicht, sie ist für die Partei jetzt und nicht erst am Ende des Jahres oder im Frühjahr 2021 die wichtigste Entscheidung. Wenn die SPD überhaupt noch eine Chance auf das Kanzleramt bei der Bundestagswahl haben will, dann muss sie diese Frage schnell beantworten.
Sie hat den nach Merkel momentan bei den Wählern beliebtesten SPD-Politiker in ihren Reihen, ein Mann mit großer Krisenerfahrung – national und international: Olaf Scholz. Das begreifen langsam selbst die neuen Parteivorsitzenden – nur der einst mächtige Landesverband Nordrhein-Westfalen hat mit ihm noch seine Probleme. Gegen die derzeit aussichtsreichen Kandidaten bei der Union Markus Söder, Armin Laschet und Friedrich Merz sollte Scholz zumindest gegen die letzten beiden gute Chancen haben, bei Söder könnte es enger werden. Deshalb sollten die Sozialdemokraten den Finanzminister ziemlich schnell zum Kanzlerkandidaten küren.
Die SPD hat selbst in einer Untersuchung festgestellt, dass sie bei der Bundestagswahl 2017 ihren Kanzlerkandidaten zu spät ernannt hat. Ein weiteres Mal sollte der Partei dieser Fehler nicht unterlaufen. SPD-Intrigantenstadl gab es genug. Will die SPD erfolgreich bei der Bundestagswahl 2021 sein, benötigt sie ab sofort einen Wumms-Kandidaten.