Die Europäische Energieunion: Viel Gerede, wenig Fortschritt

Die Europäische Energieunion: Viel Gerede, wenig Fortschritt

Redaktion

Energie, Europa

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Die Idee einer europäischen Energieunion klingt ambitioniert. Doch auf dem Energy Security Summit 2015 wurde deutlich: Zwischen Anspruch und Wirklichkeit klafft eine große Lücke. Es fehlt nicht an Reden, sondern an echtem politischen Willen und koordinierter Umsetzung.

Ein Gipfel voller Versprechen

Der Energy Security Summit in Berlin stand ganz im Zeichen gemeinsamer europäischer Lösungen. Der EU-Kommissar Maroš Šefčovič warb erneut für eine europäische Energieunion. Die Ziele klingen sinnvoll:

  • Gemeinsame Gasbeschaffung zur Reduzierung der Abhängigkeit von Russland
  • Bessere Vernetzung der Strommärkte
  • Koordination beim Ausbau erneuerbarer Energien

Doch: Diese Ziele stehen seit Jahren auf dem Papier – ohne konkrete Umsetzung.

Nationale Interessen blockieren europäische Lösungen

Die zentrale Herausforderung: Energiepolitik ist weiterhin Sache der Nationalstaaten. Und wo nationale Interessen dominieren, bleibt die europäische Idee schnell auf der Strecke.

Beispiele für nationale Alleingänge:

  • Frankreich: Einführung eines nationalen Kapazitätsmarktes – losgelöst vom Binnenmarkt
  • Deutschland: CO₂-Abgabe für Kohlekraftwerke – parallel zum europäischen Emissionshandel
  • Griechenland: Ausbau der Gasbeziehungen zu Russland
  • Baltische Staaten: Starker Fokus auf Flüssiggas, um Russland zu umgehen

Übersicht: Nationale Energieinteressen in Konflikt

LandEigeninteresseKonflikt mit EU-Zielen
FrankreichVersorgungssicherheit durch nationale MärkteVerstoß gegen Strombinnenmarkt
DeutschlandEigene Klimaziele über EU-Ziele hinausBelastung des Emissionshandelssystems
GriechenlandKooperation mit RusslandKontraproduktiv zur EU-Energiesicherheitsstrategie
BaltikumLNG-Fokus zur Unabhängigkeit von RusslandTeurer als Pipelinegas – kaum solidarisch finanzierbar

Die deutsche Doppelstrategie

Deutschland präsentiert sich gern als ökologischer Vorreiter. Doch genau hier liegt ein Teil des Problems. Drei nationale Ziele sollen auf europäische Nachbarn ausgelagert werden:

  1. Reduktion von CO₂-Emissionen durch Verlagerung der Stromerzeugung
  2. Versorgungssicherheit durch Stromimporte aus europäischen Kraftwerken
  3. Integration von Ökostrom über das europäische Verbundnetz
LESEN:  Die Effizienz der Wirtschaft auf europäisch verträgliches Niveau absenken – ein fragwürdiger Ansatz

Diese Strategie wirkt nach außen ambitioniert, ist aber innenpolitisch motiviert und europäisch kaum abgestimmt.

Tabelle: Deutschlands Ziele und europäische Nebeneffekte

Deutsches ZielEuropäischer Effekt
CO₂-Abgabe für KohleVerdrängung der Stromerzeugung ins Ausland
Versorgung über europäische NetzeAbhängigkeit von Nachbarstaaten
Export von Überschuss-Strom (Wind/Solar)Überlastung ausländischer Netze

Iran, LNG und die Illusion der Gasvielfalt

Viele hofften, der Iran könnte mit seinen Gasreserven eine Alternative zu Russland sein. Doch diese Hoffnung wurde auf dem Summit klar gedämpft: Der iranische Energieminister stellte klar, dass sein Land nach Asien exportieren werde – wegen höherer Preise.

Auch Flüssiggas (LNG) gilt als Hoffnungsträger, etwa für das Baltikum. Doch LNG ist deutlich teurer als russisches Pipelinegas. Und die Bereitschaft anderer EU-Staaten, diese Mehrkosten solidarisch zu tragen, ist gering.

Fazit: Ohne echte Koordination keine Energieunion

Die Europäische Energieunion bleibt bisher ein Lippenbekenntnis. Was fehlt, ist:

  • Verbindliche Vereinheitlichung der Energiemärkte
  • Abstimmung nationaler Klimaziele mit europäischen Instrumenten
  • Finanzielle Ausgleichsmechanismen, um Solidarität möglich zu machen
  • Strategische Unabhängigkeit, die wirtschaftlich realistisch bleibt

Solange jedes Land seine eigene Strategie verfolgt, wird die europäische Energiepolitik nicht funktionieren. Die nächste Krise kommt bestimmt – und sie wird zeigen, wie viel Europa wirklich hinter der Energieunion steckt.