Die Selbstgerechten

Postskriptum

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Die Selbstgerechten

Postskriptum

Die vermeintliche Denkschule, der sich die doch eher rechtsextremen als konservativen Richter des Supreme Courts verschrieben haben, die in diesen Tagen das Recht auf Abtreibung de facto abgeschafft haben, nennt sich originalism. Das deutsche Wort Ursprünglichkeit klingt dafür noch zu freundlich. Originalism gleicht mehr einer typisch neuzeitlich erfundenen fundamentalistischen Ideologie, die Geschichtstreue, Tradition und Überlieferung im Schilde führt, aber auf historisch schiefen Annahmen aufbaut, opportunistisch neueste Aufregerthemen der republikanischen Partei aufgreift und als Kriterium der Weitergabe allein das anerkennt, was ihrem Weltbild schon immer entsprach.

Das Weltbild vor allem der drei von Donald Trump nominierten Richter ist dann auch eine krude Mischung aus pseudo-katholischem Extremismus, weißem Nationalismus und – tragische Ironie – einem richterlichen Aktivismus, der eine spezielle Gesellschaftspolitik zu betreiben trachtet. Die bittere Pointe dabei ist, dass dies just dem endlos wiederholten Vorwurf der „Originalisten“ gegen ihre liberalen Widersacher entspricht.

Adam Serwer fasste die ahistorische Logik des rechten Blocks des Supreme Courts im Atlantic treffend zusammen: „Gerichtsurteile, die die heutige amerikanische Rechte bevorzugt, erweisen sich bequemerweise als genau das, was die Gründungsväter schon immer wollten.“

Gründungsvater der halbgarsten Theorie aller halbgaren Theorien am höchsten Gericht war Antonin Scalia, der dem Gericht von 1986 bis zu seinem Tod 2016 angehörte. Scalia war lange Jahre der Typ des brillanten Konservativen mit eleganter Feder und Hang zum bissig-treffenden Aperçu, an dem auch seine Gegnerinnen gern die intellektuellen Zähne wetzten – Naphta, vom Zauberberg herabgestiegen auf die Richterbank. In seinen letzten Jahren wurden Scalias Argumentation und Rhetorik gleichwohl immer ätzender, beinahe albern.

In dieser Entwicklung entspricht Scalia aufs Unglücklichste dem geistigen Niedergang der Republikaner in den vergangenen 30 Jahren. Wenige Monate nach seinem Tod machte die Partei, folgerichtig auf dem Weg der Verhunzung, Donald Trump zu ihrem Präsidentschafts­kandidaten.

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