Olaf Scholz ist der Kanzlerkandidat der SPD. Aber in welcher Koalition könnte er eine Regierung bilden?
Olaf Scholz ist der Kanzlerkandidat der SPD. Aber in welcher Koalition könnte er eine Regierung bilden?
Olaf Scholz ist, wie seine beiden Vorgänger, ein Kanzlerkandidat ohne Kanzlerambition. Dessen ist er sich bewusst, er darf es bloß nicht nach außen tragen.
Die Coronakrise machte ihn zum Top-Mann der SPD. Er ließ die schwarze Null hinter sich, packte die Bazooka aus und ist nach der Kanzlerin nun der beliebteste Politiker des Kabinetts. Dabei schien es noch vor einem Jahr unvorstellbar, dass Scholz sich je von seinem Tief erholen würde. Die Wahl der Parteivorsitzenden, die letztendlich eine „Alles-außer-Olaf-Wahl“ war, zeigte deutlich, was seine Partei nicht wollte. Nun ist er das Einzige, was die SPD hat. Tatsächlich könnte es ihm gelingen, die Sozialdemokraten nochmal für sich zu begeistern, wie er es bereits 2011 tat, als er die Hamburger SPD 2011 aus dem Tief gegen eine durch Ole von Beust 2001 an die Macht gekommene CDU zurück ins Rathaus führte.
Dabei darf er allerdings nicht so kühl und unerreichbar auftreten, wie es bei der Vorsitzendenwahl der Fall war. Intern heißt es, Scholz sei ein brennender, entschlossener Sozialdemokrat, der überzeugen kann. Zudem scheint er anpassungsfähig: Scholz war unter Gerhard Schröder Generalsekretär, zweimal Bundesminister, führte aber auch hanseatische, progressive Regierungen an.
Aber: Wofür all dieser Aufwand? Seine Pläne werden spätestens bei der Konzeption einer Regierung im Bund scheitern. Ko-Parteichefin Saskia Esken zeigte sich offen für ein „progressives Bündnis“ mit Linken und Grünen. Scholz lehnte dies bisher nicht ab, zeigte sich jedoch – berechtigterweise – skeptisch. An der Parteibasis wächst zugleich die Euphorie über jenes Szenario. Ausgerechnet der Kandidat der alten (Neuen?) Mitte soll, schon aus taktischen Gründen, die Option eines Linksbündnisses offenhalten. Die Basis hatte sich mit der Wahl von Esken und Walter-Borjans intern auf linkere Politik festgelegt, aber Scholz soll die SPD nach außen aufpäppeln.
Man kann jedoch von Scholz nicht erwarten, all seine Überzeugungen – und das, wofür er gemocht wird, nämlich ein Mann der Mitte zu sein – über Bord zu werfen, um nur irgendwie eine Regierung bilden zu können. Das kann nicht gut gehen.
Der eher spärliche Zuwachs von 2 Prozent, die eine Forsa-Umfrage ihm zuweist, macht es deutlich: Kanzlerkandidat „mit Wumms“ sieht anders aus. Der innerparteiliche Richtungsstreit rächt sich dort. Scholz wird sich dessen bewusst sein.
Nach einer langen, stagnierenden Zeit unter Angela Merkel wünschen sich die Wählerinnen und Wähler wieder Bewegung, linke Politik – aber keine linke Regierung. Eine Koalition aus SPD, Grünen und Linkspartei kommt den einschlägigen Umfragen zufolge gerade einmal auf 40 Prozent.
Eine erneute Große Koalition dürfte auszuschließen sein, besser stehen die Chancen für eine schwarz-grüne Regierung. Wieso sollten die Grünen denn auch ein linkes Bündnis mittragen, wenn sie nicht links sind? Sie sind der Union weitaus näher, spätestens seit sie in Schröders rot-grüner Regierung im Kosovo ihren Pazifismus ablegten.
Rüstung ist einer der vielen Punkte, die besonders ein Bündnis zwischen SPD und Linke als unrealistisch erscheinen lässt. Scholz sagt, in Bezug auf ein „progressives Bündnis“ gebe es vor allem mit Blick auf die Regierungsfähigkeit der Linkspartei „noch viele Fragen, da wird es sicherlich viel zu diskutieren geben“. Jüngst griffen Vertreter der Linkspartei den Vizekanzler dafür an, für wachsenden Rüstungsexport mitverantwortlich zu sein. Ebenfalls könnte eine Koalition an dem Punkt Nato scheitern. Parteichefin Katja Kipping sagte, diese habe sich als „Wertebündnis erledigt“, die SPD hingegen sieht eine aktive Mitgliedschaft als Hauptbedingung.
Auch sonst birgt die Außenpolitik viel Sprengstoff. Die Linken wollen den Rüstungsexport einstellen und Auslandseinsätze der Bundeswehr beenden, womit Deutschlands Rolle im atlantischen Bündnis erheblich geschwächt würde. Für die SPD ist das kein Ansatz der SPD, wenn sie sich in der Mitte nicht unbeliebt machen möchte. Wie sagte Peer Steinbrück bereits: „Mit den Linken kann ich international nicht auftreten, schon auf der EU-Ebene nicht. Wie können Sie sich vorstellen, dass ich mit irgendeinem Linken auftauche in der Eurogruppe oder im ECOFIN, im G7 Kreis?“ Dieser Frage wird sich Scholz, der eher der Parteirechten zugeordnet wird, auch stellen müssen.
Darüber hinaus ist unter den möglichen Koalitionspartnern die Einstellung zu Russland höchst konträr. Die Linken finden sich beinahe reflexartig im pro-russischen Lager, ganz gleich, um welche konkrete Frage es geht. Ihr Motto: Kooperation mit Russland statt Konfrontation im Bündnis mit der Nato. Außerdem ist der in Teilen der Linken ausgeprägte Antisemitismus und die Ablehnung Israels unvereinbar mit den Werten der SPD. Ebenso bedenklich in Zeiten der Pandemie: die in der Linkspartei verbreitete Ablehnung der Weltgesundheitsorganisation WHO.
Festzuhalten bleibt: Ein linkes Bündnis als Möglichkeit offenzuhalten, ist der bloße Versuch der SPD, darüber hinwegzutäuschen, dass die Partei selbst daran glaubt, die Bundestagswahl gewinnen zu können.
Einer der entscheidenden Gründe für die trüben Aussichten ist die SPD selbst. Die destruktiven innerparteilichen Diskussionen könnten die Stimmung kippen. Nicht nur die Kandidatur für den Juso-Vorsitz von Jessica Rosenthal könnte ungemütlich für Scholz werden, auch Kevin Kühnert gilt nicht als großer Scholz-Fan. Aber: Könnte er als neuer Generalsekretär für mehr Einigkeit in der Partei sorgen? Kein Zweifel: Die Partei muss zugleich geeint auftreten – und eine gehaltvolle progressive Diskussion anstoßen, um nicht komplett abgeschrieben zu werden.