Editorial des Verlegers
Editorial des Verlegers
Liebe Leserinnen und Leser,
Joe Biden wird am 20. Januar 2021 zum US-Präsidenten ernannt werden – lassen wir uns von dem – noch vorsichtig ausgedrückt – radikal antidemokratischen Gebaren des noch amtierenden Amtsinhabers nicht ins Bockshorn jagen. Bidens Wahl ist ein Grund zum Durchatmen und durchaus auch Anlass zur Freude.
Um über die Bedeutung eben jenes Wahlsiegs noch einmal auf anspruchsvolle Art zu reflektieren, darf ich Ihnen unsere noch immer überaus lesenswerte Sonderausgabe des Hauptstadtbriefs und der German Times ans Herz legen, die wir direkt am Tag nach der Wahl zusammengestellt und veröffentlicht haben.
Darin schreiben so exzellente Autorinnen und Autoren – wie der Herausgeber der German Times, Theo Sommer, die Leiterin der Politischen Akademie in Tutzing Ursula Münch, der Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz Wolfgang Ischinger, der Intendant des WDR Tom Buhrow, der ehemalige Botschafter Peter Ammon und der Kolumnist des Hauptstadtbriefs Günter Bannas. Ihre Analysen und Gedanken haben an Gültigkeit nichts verloren.
Aber wie Jed Bartlet – Aaron Sorkins großartiger fiktionaler Präsident der Serie The West Wing – zu sagen pflegte: Break’s over. Zurück zur Arbeit.
Und das heißt in diesem Fall für Deutschland, sich wichtigen außenpolitischen Fragen zu stellen, die unter einem vernünftigen und berechenbaren US-Präsidenten nur noch dringender werden dürften.
Marina Henke, eine der führenden außen- und sicherheitspolitischen Expertinnen, die wir in Deutschland haben und die sich auf beiden Seiten des Atlantik vorzüglich auskennt, beschreibt in diesem Hauptstadtbrief am Samstag, welchen Herausforderungen wir uns stellen werden müssen – vor allem einer Verschärfung des amerikanisch-chinesischen Gegensatzes. „Die China-Frage wird sich auch als der eigentliche Knackpunkt für die Zukunft der Nato entpuppen. Früher oder später werden die USA von ihren Bündnispartnern Loyalität für das US-Engagement im Asien-Pazifik-Raum einfordern“ schreibt Henke, die an der Hertie School of Governance in Berlin lehrt und Direktorin des dortigen Centre for International Security ist.
Auch Rolf-Dieter Krause, unser Mann in Brüssel, konfrontiert in seinem Beitrag für den Hauptstadtbrief die Bundesregierung mit unangenehmen Realitäten. Der Bundeskanzlerin Angela Merkel gesteht er zu, sehr gut darin zu sein, akute Krisen zu klug und nervenstark zu managen, aber – gerade in der Zeit, in der Deutschland die EU-Ratspräsidentschaft inne hat – keine leitende Idee für Europa zu haben. Dabei bedürfte die Union gerade in dieser so schwierigen Phase eines größeren Wurfs. „Was Deutschland mit Europa will, was es mit Europa vorhat, wohin es die EU entwickeln und wofür es seine Partner gewinnen will – niemand kann diese Frage beantworten“, schreibt Krause.
Brian Williams, der beim amerikanischen Sender MSNBC die wichtigste Nachrichtensendung The 11th Hour moderiert, nannte angesichts des derzeitigen Totalausfalls im Weißen Haus Angela Merkel in diesen Tagen wieder „the leader of the free world“. Jetzt wäre der Moment, diesem Titel Taten folgen zu lassen.
Mit herzlichen Grüßen verbleibe ich – bis morgen
Ihr Detlef Prinz