Editorial des Verlegers
Editorial des Verlegers
Liebe Leserinnen und Leser,
bald schon sind es 20 Jahre, in denen „der Westen“ – und das heißt eben auch Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr – in Afghanistan im Einsatz ist.
Winfried Nachtwei, lange Zeit Mitglied des Deutschen Bundestags, nimmt angesichts der internationalen Debatte über die Zukunft des Einsatzes in dieser Ausgabe des Hauptstadtbriefs am Sonntag eine so klarsichtige wie ernüchternde Bestandsaufnahme vor. „Siebzehn Jahre lang hatten die USA und Verbündete sich nicht ernsthaft um eine Verhandlungslösung mit den Taliban bemüht“, schreibt Nachtwei. „Viel zu lange dominierte vor allem auf Seiten Washingtons die Illusion, eine Aufstandsbewegung wie die Taliban militärisch besiegen zu können. Gespräche zu einer politischen Lösung begannen erst, als die strategische Schwäche von Regierung und Nato unübersehbar war.“
Nachtwei, der dem Beirat Zivile Krisenprävention der Bundesregierung und dem Beirat Innere Führung des Bundesministeriums der Verteidigung angehört, rät in bestem realistischen Sinne zum Ehrlichmachen, was zwei Jahrzehnte „Einzelanstrengungen“ und „Teilfortschritte“ tatsächlich bewirkt haben – und dieser Appell geht in Richtung Bundesregierung und internationaler Gemeinschaft – zu einer solchen Souveränität im Denken und Handeln sollte sich jener „Westen“ doch aufraffen können.
Für den zweiten Beitrag dieses Hauptstadtbriefs hat uns Steffen Arora eine alles andere als unernste, aber doch auch mit heiteren Beobachtungen gespickte Depesche aus Tirol gesandt. Der Korrespondent der in Wien erscheinenden Tageszeitung Der Standard zieht einige frappante Vergleiche zwischen Landeshauptmann Günther Platter und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder. Aroras Beitrag ist zugleich ein kleines Lehrstück über die immer etwas angespannten Beziehungen zwischen (Partei-)Zentrale und vermeintlichem Hinterland und dem nur allzu bekannten länderübergreifenden politischen Schwarzer-Peter-Spiel. „Nun, da Tirol ein Jahr später dank Südafrika-Mutante abermals zum Pandemie-Hotspot Europas avanciert“, schreibt Arora, „sucht man die Schuld dafür erneut lieber im süddeutschen Raum. Hieß es erst, Tiroler Hoteliers, die den spätherbstlichen Lockdown nutzten, um in Südafrika zu golfen, hätten das Virus ins Land gebracht, so führt ‚die Spur‘ mittlerweile nach Bayern – echte Belege dafür fehlen allerdings noch.“
Diplomatisches Geschick bleibt offensichtlich weltweit gefragt.
Mit herzlichen Grüßen verbleibe ich bis zur nächsten Woche
Ihr Detlef Prinz