Wahlen im Saarland, in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen – kommt jetzt der Scholz-Zug?
Wahlen im Saarland, in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen – kommt jetzt der Scholz-Zug?
Am 26. März 2017 kam der „Schulz-Zug“ zum Stehen. Die SPD verlor die Landtagswahl im Saarland, und Martin Schulz, zwei Monate zuvor zum Kanzlerkandidaten gekürt, geriet in die Defensive. Was vielfach unerwähnt blieb: Wäre die mit 6,2 Prozent in den Landtag eingezogene AfD an der Fünfprozentklausel gescheitert, hätte es trotz der CDU-Gewinne und der SPD-Verluste für eine hauchdünne rot-rote Regierungsmehrheit gereicht.
Am 7. Mai verlor die von der SPD angeführte „Küstenkoalition“ (mit den Grünen und dem SSW) die Wahl, und Daniel Günther von der CDU bildete ein Bündnis mit der FDP und den Grünen, die in der Regierung verbleiben konnten. Und es wurde noch bitterer. Eine Woche später trat ein ungefilterter Regierungswechsel in Nordrhein-Westfalen ein. Rot-Grün unter Hannelore Kraft musste in die Opposition, Schwarz-Gelb unter Armin Laschet gelangte an die Regierung. Der vielbeschworene Schulz-Effekt mutierte zu einem Schulz-Defekt.
Nun ist die Konstellation ähnlich. Wieder stehen diese drei Wahlen an. Waren es vor fünf Jahren die letzten vor der Bundestagswahl, sind es jetzt die ersten nach der Bundestagswahl. Gibt es erneut einen Dominoeffekt? Obwohl das Saarland mit einer Million Einwohner der kleinste Flächenstaat Deutschlands ist, stoßen die Wahlen am 27. März auf breites Interesse, weit über dessen Grenzen hinaus. Die SPD ist die einzige Partei, die jeweils regiert: im Land als Junior-, im Bund als Seniorpartner. Durch den von Russland begonnenen Ukraine-Krieg, der dazu zwingt, die hiesige Verteidigungspolitik neu auszurichten, kommt ein weiterer unsicherer Faktor ins Spiel, von dem niemand weiß, wie er sich etwa angesichts der steigenden Energiepreise auswirkt. Das gilt ebenso für die politischen Folgen der Pandemie, die nun schon seit zwei Jahren Bürgerinnen und Bürger belastet. Gemeinhin nützen solche Krisensituationen den großen Parteien.
Die CDU, die im Saarland seit 1999 das Ministerpräsidentenamt besetzt, zunächst unter Peter Müller (1999-2009), dann unter Annegret Kramp-Karrenbauer (2011-2018), seit 2018 unter Tobias Hans, mit gerade 40 Jahren nach dem Rücktritt der Vorgängerin zum Regierungschef avanciert – ohne abgeschlossenes Studium und ohne Beruf – hat nur als stärkste Kraft eine Chance auf den Posten des Ministerpräsidenten. Danach sieht es derzeit eher nicht aus. Die Hauptregierungspartei, die zuletzt noch 40,7 Prozent erreicht hatte, liegt bei den Umfragen hinter der SPD (2017: 29,6 Prozent). Deren Spitzenkandidatin, Anke Rehlinger, Landesministerin seit zehn Jahren, schneidet sogar bei der Frage nach der gewünschten Nr. 1 besser ab als der Ministerpräsident. Der fehlende Amtsbonus ist ungewöhnlich, zumal der eloquente Hans schon seit mehr als vier Jahren regiert.
Wandel liegt in der Luft. Der Ministerpräsident, der eine Fortsetzung der Koalition unter seiner Führung anstrebt, versucht im Wahlkampf, der Wechselstimmung entgegenzuwirken, etwa mit einer großen „Homestory“ in der Bunten. Zudem fehlt es nicht an populistischen Tönen. Dazu gehört das Plädoyer für eine Spritpreisbremse. Hans stellte ein Video ins Netz, in dem er mit einer Tankstelle im Hintergrund in saarländischem Dialekt die hohen Spritpreise beklagt und den politisch Verantwortlichen vorwirft, die Staatskasse mit den gestiegenen Steuereinnahmen zu füllen. All das sieht mehr nach Wahlkampf aus als nach Sorge um die Nöte der Menschen. Mit einem Antrag im Bundesrat fordert das Saarland jetzt die Bundesregierung auf, die Energiesteuern für eine gewisse Zeit zu senken.
Die Regierungsparteien CDU und SPD, die im Saarland geschlossen dastehen, haben die vergangen zehn Jahre mehr oder weniger geräuschlos zusammengearbeitet. Insofern mag es eine Fortsetzung geben, diesmal vielleicht unter der Ägide der SPD, die sich nicht auf eine bestimmte Koalition festzulegen gedenkt. Eine Einbeziehung kleinerer Parteien in die Landesregierung könnte angesichts derer internen Probleme – sie betreffen die AfD und Die Linke wie die Liberalen und die Grünen – ein Risiko sein. Sie haben es im Saarland mit einem Einstimmensystem, das für sie eher ungünstig ist, ohnehin schwer. Nach den Wahlen 1999 gelangten lediglich CDU und SPD in den Landtag, nach 2004 kamen Grüne und FDP hinzu, nach 2009 zusätzlich noch Die Linke, nach 2012 ebenso fünf Parteien (nicht die Liberalen, wohl aber die „Piraten“), nach 2017 neben der CDU und der SPD auch Die Linke sowie die AfD. Diesmal ist ein Zweiparteienparlament wie ein Sechsparteienparlament möglich. Vorhersagen sind schwierig, da die kleinen Parteien bei Umfragen bloß knapp oberhalb der Fünf-Prozent-Marke liegen.
Am 27. März könnte der Scholz-Zug Fahrt aufnehmen. Wie im Bund dürfte im Saarland eine arithmetische Mehrheit für die „Ampel“ vorhanden sein, in Schleswig-Holstein, wo die Bürger am 8. Mai zur Wahl aufgerufen sind, wohl nicht, da der dortige CDU-Ministerpräsident Daniel Günther mit seiner „Jamaika“-Koalition gute Chancen auf eine Wiederwahl hat. Sollte die Union in Nordrhein-Westfalen eine Woche später das Amt des Ministerpräsidenten verlieren und ein rot-grün-gelbes Bündnis die Folge sein, wäre das für den Regierungschef Hendrik Wüst ebenso ein Schlag ins Kontor wie für Friedrich Merz, denneuen Bundesvorsitzenden der CDU.
Diese geriete, mit wenig Machtoptionen ausgestattet, weiter in die Defensive. Die Union hat am 26. September 2021 nicht nur die Bundestagswahl verloren, sondern auf absehbare Zeit mit der FDP auch ihren langjährigen Koalitionspartner. Wer hätte vor einem Jahr ein Revival von Rot-Grün-Gelb, arithmetisch und politisch gleichermaßen nahezu ausgeschlossen, vorherzusagen gewagt? Das muss zwar nicht bedeuten, die Liberalen gingen auf Landesebene keine Koalition mehr mit der Union ein, aber die Berührungsängste bei einer Liaison mit den Grünen sind geschwunden. So ließen sich sogar Mehrheiten für den Bundesrat generieren. Doch so weit ist es noch nicht.