Donaldismus

Kolumne | Direktnachricht

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DPA/APA/PICTUREDESK.COM
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Donaldismus

Kolumne | Direktnachricht

Vergangenen Samstag zeigte sich ein gruseliges Bild Unter den Linden in Berlin. Ein großer Demozug, die Teilnehmenden hielten weder Abstand noch trugen sie Masken, dafür waren sie mit zahllosen antisemitischen und wissenschaftsfeindlichen Plakatbotschaften und Parolen unterwegs.

Trotz bundesweiter Mobilisierung kamen nur 17 000 Menschen nach Berlin, und die Veranstaltenden versuchten, diese Zahl im Nachhinein noch aufzublähen. Lügen, lügen, lügen – bis etwas hängenbleibt und die Realität vor unseren Augen umgeschrieben wird. Das erinnert nicht von ungefähr an Trumpsche Strategien.

Wieder wird diskutiert: Sollen wir solche Leute ernstnehmen? Ich finde: ja. Anhänger_innen von Verschwörungspropaganda zeigen nämlich eine hohe Gewaltbereitschaft gegen andere Menschen und sind entsprechend gefährlich. Allein die bei der Demo anwesenden Journalist_innen bekamen dies deutlich zu spüren.

Veranstaltungen wie diese gehören klar verurteilt, statt offene Ohren anzubieten. In den sozialen Medien trendete dazu der Hashtag #Covidioten. Kein noch so gelungenes Wortspiel ist es allerdings wert, eine ohnehin schon extrem benachteiligte Gruppe, in diesem Fall also Menschen mit geistiger Behinderung, mit Füßen zu treten. Eine solche Bezeichnung entlässt Anhänger_innen von Verschwörungserzählungen außerdem komplett aus ihrer Verantwortung.

So viele von uns leben nun seit Monaten – oft schon vor Corona – in einem Zustand der Verunsicherung, bei dem man sich kaum die nächste Woche vorstellen kann, geschweige denn die zweite Jahreshälfte. Trotzdem holen wir unsere News nicht plötzlich über AfD-Fanpages oder Reichsbürgerforen. Die stets aufkommende Behauptung, in einem Verunsicherungszustand könne man quasi gar nicht anders, als rechts zu werden, greift nicht. Mit rechter Ideologie zu kuscheln, auf einer Demo entspannt neben Reichsflaggen und rechtsradikalen Gruppen zu laufen, das ist immer noch eine bewusste Entscheidung.

Schon die letzte Mitte-Studie ergab, dass 46 Prozent der Befragten an geheime Organisationen glaubten, die Einfluss auf politische Entscheidungen hätten. Bestehende Verschwörungserzählungen haben einfach ihr Corona-Update bekommen. Mit den digitalen Echokammern, die in Facebook-Gruppen, YouTube- oder Telegram-Channeln existieren, stehen wir eindeutig vor einer Herausforderung, was die Verbreitung von Verschwörungspropaganda angeht. Eine Politik von heute muss sich dieser stellen.

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