Kolumne | Direktnachricht
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„Das Wort steht für Leid, Elend, Gewalt, Holocaust, Porajmos […]. Dieses Wort ist eine Fremdbezeichnung und macht Menschen zu Untermenschen.“ So erklärt der Aktivist Gianni Jovanovic, weshalb die rassistische Bezeichnung für Sinti_ze und Rom_nja ein absolut verletzendes No-Go ist.
Die Schamlosigkeit, mit der dieses Wort in einer gewissen WDR-Sendung dann doch wieder einmal verteidigt wurde, ist leider bezeichnend für das fehlende Bewusstsein über den tief verwurzelten Antiziganismus, der sich nicht nur in unserer Gesellschaft findet. Auffällig dabei: die nicht neue, aber ständige Wiederholung der Diskussionsteilnehmenden, dass „die“ doch ganz andere Probleme hätten.
Ganz falsch ist das nämlich nicht. Aber erstens sind es nicht Sinti_ze und Rom_nja, die immer wieder obsessiv die Behauptung hervorkramen, Saucen oder Schnitzel müssten nun einmal einen rassistischen Begriff tragen. Zweitens nahm das in der Runde trotzdem niemand zum Anlass, um zum Beispiel darauf hinzuweisen, dass Rom_nja in Bulgarien, Italien oder Ungarn gerade extreme Polizeigewalt erfahren und ohne jegliche Versorgung komplett abgeschottet werden, weil man sie als Sündenböcke für Covid-19 sieht. Und drittens sind dies eh zwei Seiten derselben Medaille. Denn die sprachliche Entmenschlichung ist nun einmal der Anfang für weitere Gewalt und Unterdrückung.
Der WDR entschuldigte sich: Der Sendungsverlauf sei anders geplant gewesen, es hätten vielleicht Betroffene mitdiskutieren müssen, und man wolle daraus lernen. Davon abgesehen, dass sich der Eindruck ergibt, dass die Sendungsplanung durchaus so gedacht war: Solche Entschuldigungen reichen einfach nicht mehr aus. 2021 muss ein klar erkennbarer Lernprozess her, der über „Wir haben dazu eine Redaktionssitzung gemacht und unsere Diversity-Beauftragte eingeladen“ hinausgeht. Sonst passiert das „Lernen“ nur auf dem Rücken von Betroffenen und hält nicht mal bis zur Mittagspause.
Eine diversere Runde würde das Sendungsformat im Übrigen nicht retten, solange es im Kern weiterhin darum geht zu fragen, ob Sinti_ze und Rom_nja eigentlich verletzt werden dürfen. Dort stinkt der Fisch vom Kopf her. Wir sehen das Ergebnis einer toxischen Diskurskultur, die die vergangenen Jahre dominierte, alles zu einer „bloßen Meinung“ (die man ja haben kann) erklärt und damit Themen und Leben zur Diskussion stellt, die schon nach Artikel 1 Grundgesetz nicht zur Debatte stehen dürfen.