Editorial des Verlegers
Editorial des Verlegers
Liebe Leserinnen und Leser,
natürlich sind Glaubensfragen zu allen Zeiten nur bedingt frei von politischen Aspekten, da sie zu sehr auf den Menschen, zumal den katholischen, in der Welt als „soziales Wesen“ abzielen. Die gegenwärtige Misere der katholischen – und meiner – Kirche scheint sich auf den ersten Blick vor allem um die schändlichen Missbrauchsfälle von Priestern zu drehen und die Versuche ihrer Oberen, diese nicht wahrnehmen, vertuschen oder gar noch immer verharmlosen zu wollen.
Unser Autor Carl Kau, treuer Katholik, in Köln geboren, ehrenamtlich für die Kirche aktiv, hatte irgendwann einfach genug von den Ausreden, der Verweigerung, dem Festhalten an Positionen, die mit der Frohen Botschaft wohl kaum noch in Einklang zu bringen sind. Schmerzlich musste er feststellen, dass seine eigenen Kinder trotz katholischer Erziehung nicht mehr kirchlich heiraten und seine Enkel nicht mehr taufen lassen wollen. Und dass ihm in der Debatte langsam aber sicher die Argumente abhandenkamen, mit denen er die Institution einst verteidigt hatte, ja, dass er selbst nicht mehr von ihnen überzeugt war.
Aber Kau wollte nicht stumm dem selbstverschuldeten Niedergang zusehen – sah er doch in der Kirche noch immer so viel, das er für bewahrenswert, ja, wie man heute sagt, essentiell für die Menschen hält.
In seinem Beitrag für diese Ausgabe des Hauptstadtbriefs am Samstag beschreibt Kau in aller Eindringlichkeit, was sich ändern muss. Dazu hat er auch eine Initiative gegründet: www.katholischer-klartext.de – um der noch „schweigenden Mehrheit“ eine Stimme für echte Reformen zu verleihen.
Im zweiten Beitrag dieser Ausgabe untersucht Oliver Rolofs, was nicht nur in diesen pandemischen Zeiten in Sachen Katastrophenschutz in Deutschland geradezu eklatant falschläuft. Dabei geht es auch um die Fähigkeit der Politik an sich, sich auf schleichende Krisen vorzubereiten – die so gefährlichen wie volkswirtschaftlich unvorstellbar teuren Versäumnisse in Sachen Klimaschutzpolitik sollten eigentlich Bände sprechen. Vorbeugung ermangelt es an Sexappeal, heißt es häufig.
Das muss sich ändern.
Anne Wizorek gelingt es in ihrer Kolumne Direktnachricht auf so bewundernswerte Art, zahllose der in diesen Tagen wild abgefeuerten Hot Takes in Sachen Identitätspolitik Makulatur werden zu lassen – indem sie eben nicht einfach auf das krude Weiterspinnen der Empörung setzt, sondern vielmehr elegant zeigt, dass der vielgeschmähte Begriff auch im Sinne von Aufmerksamkeit, Rücksicht und Wohlwollen gelesen werden kann – und so zu einem Gewinn für alle werden kann. Wärmstens empfohlen.
Mit herzlichen Grüßen verbleibe ich – bis morgen
Ihr Detlef Prinz