Fallen lassen

Postskriptum

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Fallen lassen

Postskriptum

In den vergangenen Wochen der pandemischen Verdunkelung Deutschlands wurde das Phänomen der Impfverweigerung auf den Meinungsseiten und Feuilletons nach allen Regeln der Kunst, ob mit nüchtern-intellektuellem Scharfsinn oder saftig-lustvoller Polemik, auseinandergenommen. Alsbald meldete sich, nicht weniger angebracht, auch wieder die analytisch-neutrale Fraktion derjenigen, die verstehen will, was die Menschen bewegt.

Der Hirnforscher Gerhard Roth, wartete jüngst im Spiegel-Jahresrückblick mit einigen klaren Aussagen auf über die möglichen Motive von Corona-Demonstranten und Impfgegnern: „Der Mensch will überleben, er will dabei Schutz und Sicherheit. Und vor allem will er keine Angst haben müssen. Die Pandemie aber hat zusätzliche Ängste geschürt. Der evolutionär bewährte Reflex darauf ist Erstarren, Rückzug oder Angriff.“

Oder anders ausgedrückt: Wer erst einmal in Windeseile auf den sprichwörtlichen Baum geklettert ist, veranstaltet allerhand waghalsige Akrobatik, um nicht wieder vor Publikum – vor allem den Followern – wieder herunterklettern zu müssen. Könnte peinlich sein, wie Schwäche wirken, ein bisschen blöd aussehen. Dann doch lieber den Einsatz verdoppeln.

Was tun? Adam Grant, Psychologe an der University of Pennsylvania, hat in seinem Buch Think again über die „Macht, zu wissen, was man nicht weiß“ just darüber nachgedacht, wie der Abstieg vom Baum zum Gewinn werden kann. Grant rät zur „epistemischen Demut“ – schöner klingen die daraus resultierenden „happiness benefits“, die metaphorischen Kekse, die auf einen warten. Da wäre allein die falsche Annahme, eine Position auf Biegen und Brechen verteidigen zu müssen. Eine Studie des Wissenschaftsjournals PLOS One ergab, dass gerade der Kampf auf verlorenem Posten zu Ansehensverlust und psychosozialem Stress führt, nicht das kühle Eingeständnis eines Irrtums.

Selbstverständlich richtet sich das an alle. Auch die Geimpften, Vorsichtigen und Rücksichtsvollen in der Pandemie liegen im Leben allemal oft genug daneben. Einstweilen könnte es aber helfen, die Sprungtücher auszubreiten und sie alle zusammen festzuhalten, für eine sanfte Landung.

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