Fernseher gegen Kühlschränke

Editorial des Verlegers

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Fernseher gegen Kühlschränke

Editorial des Verlegers

Liebe Leserinnen und Leser,

in dieser Ausgabe des Hauptstadtbriefes am Sonntag berichten unsere Korrespondenten von zwei Brennpunkten des politischen Geschehens: Moskau und Brüssel.

Udo Lielischkies, lange Jahre für die ARD in der russischen Hauptstadt, beleuchtet die Vorder- und Hinterbühne des Verfahrens gegen Alexei Nawalny, Wladimir Putins wankende Herrschaft und die noch ziemlich unorganisierte Opposition. Lielischkies’ Analyse geht aber zugleich über die tagesaktuellen Schlagzeilen hinaus. Der Autor des 2019 erschienenen Buchs „Im Schatten des Kreml: Unterwegs in Putins Russland“ (Droemer) versteht es, die gegenwärtige Unzufriedenheit mit der jüngeren Geschichte des Landes in Zusammenhang zu bringen: „Nach 20 Jahren hat der Putinismus seine Zauberkraft verloren“, schreibt er, „im Kampf ‚Fernseher gegen Kühlschrank‘ gewinnt Letzterer die Oberhand, der Propaganda-Apparat kann die wirtschaftliche Misere nicht mehr übertünchen.“

Eric Bonse, unser Mann in Brüssel, zeichnet ein angenehm differenziertes Bild der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, die sich in den vergangenen Wochen heftiger Kritik für die EU-Impfstoffpolitik erwehren musste. Bonse, der sich in der Undurchsichtigkeit Brüsseler Zuständigkeiten wie kaum ein Zweiter auskennt, arbeitet klug heraus, wie von der Leyens Bemühungen, sich mit allzu marketingmäßig optimierter PR ins rechte Licht zu rücken, häufig das Gegenteil bewirken. Dabei haben einige der Initiativen der Präsidentin durchaus Substanz in der Sache, wie Bonse zeigen kann. „Nicht weniger als 900 Eilentscheidungen wurden seit Beginn der Coronakrise in Brüssel getroffen. Auch sonst setzt von der Leyen auf ‚mehr Europa‘: bei der Gesundheit, wo sie nun auch den Krebs bekämpfen will, in der Außenpolitik, wo sie ein Bündnis mit den USA anstrebt, oder beim EU-Budget, das noch nie so prall gefüllt war wie heute.“

Mit herzlichen Grüßen verbleibe ich bis zur nächsten Woche

Ihr Detlef Prinz

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