Nachruf auf Theo Sommer
Nachruf auf Theo Sommer
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Für uns war Theo Sommer immer Ted.
Die Einladung, ihn so zu nennen, war zugleich ein Zeichen der Vertrautheit als auch Ausdruck seiner Freigiebigkeit, Großherzigkeit und des Fehlens jeden Dünkels. Wer mit ihm zusammenarbeitete, sprach nicht mit Herrn Sommer, dem großen Mann der ZEIT, sondern mit Ted.
Theo Sommer war der Idealfall des journalistischen Universalisten, stupend belesen, vielfältig interessiert und immer neugierig. Aber Außen- und Sicherheitspolitik, das deutsch-amerikanische Verhältnis, das war doch eine besondere Leidenschaft, bei aller analytischen Nüchternheit und publizistischen Professionalität ein Herzensthema.
Das erste Mal traf ich Ted bei einem Treffen der Atlantik-Brücke in Washington 1980. Dabei konnte ich erleben, welche Wertschätzung er bei Journalisten und Politikern dort genoss. Sie hingen an seinen Lippen – aber Ted war auch ein exzellenter Zuhörer, der Fragen stellen konnte und seinem Gegenüber elegant spannende Geschichten zu entlocken wusste. Das war journalistische Meisterschaft, aber auch genuines Interesse an den Menschen und der Welt.
2004 kam es schließlich zu jenem unvergessenen Gespräch im Berliner Hotel Palace. Der Irak-Krieg hatte einen massiven Keil in die deutsch-amerikanischen Beziehungen getrieben, es herrschte transatlantische Funkstille. Ungeachtet der unterschiedlichen Bewertungen der Lage, die in Deutschland und den USA keineswegs so einheitlich war, wie sich beide Seiten mitunter unterstellten, war offensichtlich, dass dies der Moment sei, für eine neue publizistische Initiative.
Und so spielten Theo Sommer und ich die Idee durch, eine deutsche Zeitung in englischer Sprache zu entwickeln, die den transatlantischen Dialog auf ein neues Niveau heben sollte. Das Blatt sollte dazu beitragen, die klassischen Multiplikatoren in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft über Beweggründe der deutschen Politik, Hintergründe und Debatten jenseits parteipolitischer Linien zu informieren. Sowohl Gerhard Schröder und Angela Merkel sollten dereinst Beiträge für die Atlantic Times schreiben.
Innerhalb kürzester Zeit hatten wir ein Konzept entwickelt und uns auf den Namen Atlantic Times geeinigt, die erste Zeitung ihrer Art in Deutschland.
Und Ted war sofort bereit, selbst die Rolle des Herausgebers der Zeitung zu übernehmen – wer Ted kennt, weiß, dass er das Amt nicht etwa zeremoniell verstand. Vielmehr leitete er die Konferenzen, schrieb selbst scharfsinnige Leitartikel und redigierte alle anderen Texte mit seinen berühmten Filzstiften mit unermüdlicher Liebe zum Detail. Bei ihm musste jeder Beitrag sitzen, sonst kam er nicht ins Blatt, da machte er keinen Unterschied zwischen bekannten Größen der deutschen Zeitungslandschaft und den Praktikanten.
Die erste Ausgabe unserer Atlantic Times stellte Ted mit US-Senator Dick Lugar in der deutschen Botschaft in Washington D.C. vor 2000 Gästen vor.
Theo Sommer mit Dick Lugar bei der
Präsentation der ersten Atlantic Times
in Washington 2004.
Der Erfolg der Zeitung bewog uns 2007 die Schwesterzeitung The German Times zu gründen, die für Europa das leisten sollte, was die Atlantic Times für die USA leistete – eine kluge und kritische Stimme aus Deutschland über Deutschland und seine internationale Rolle zu sein.
2007 stellten Bundeskanzlerin Angela Merkel
und Hans-Gert Pöttering,
Präsident des Europäischen Parlamentes,
mit Theo Sommer in Straßburg
die erste German Times vor.
Schließlich gründeten wir die Security Times, die jedes Jahr zur Münchner Sicherheitskonferenz erscheint – und Verteidigungs- und Sicherheitsexperten aus aller Welt zu Wort kommen lässt. Und auf eine Email von Theo Sommer antworteten alle, schrieben Beiträge für die Zeitung oder kamen zur alljährlichen großen Präsentation der Zeitung mit Wolfgang Ischinger jeweils am Vorabend der Konferenz, ob John Kerry, ehemaliger Außenminister der USA, der Direktor der CIA David Petraeus oder Jean Asselborn, Außenminister Luxemburgs.
Theo Sommer und Henry Kissinger
in der amerikanischen Botschaft 2008.
(Links der Verleger Detlef Prinz.)
Ich habe Ted Sommer persönlich sehr viel zu verdanken. Er war ein publizistisches Dickschiff im besten Sinne des Wortes, ein brillanter Autor und Redner, eine große Figur des deutschen Journalismus – und ein guter Freund.
Sein Stil und sein Geist werden in unseren Times-Zeitungen weiter präsent sein, seine unabhängige journalistische Linie werden wir weiterverfolgen.
Auch in der Zukunft wird in unserer Redaktion viel an Theo Sommer erinnern. Das gilt auch ganz handfest: Um 17 Uhr bat Ted zur sogenannten Sommerzeit – und schenkte ein Glas Whiskey für die Redaktion ein. Und dann wurde noch einmal das Blatt diskutiert, wurden Überschriften erfunden und neue Ideen ausgeheckt. Keine Frage, Sommerzeit ist für immer.