Kolumne | Aus dem Bannaskreis
Kolumne | Aus dem Bannaskreis
Vieles hängt mit vielem zusammen: Russlands Überfall auf die Ukraine, die Weltklimakonferenz in Scharm El-Scheich, die Fußball-Weltmeisterschaft in Katar und die Ankündigung von Kneipiers, dieses Mal auf einträgliches Public Viewing zu verzichten. Eine Verkettung von Umständen, Ursachen und Wirkungen ist es, die es der Prominenz deutscher Politik geraten erscheinen lässt, auf Distanz zu gehen. Anders als früher, als es sich Kanzler, Kanzlerin und Präsidenten – wie das auch im Wortsinn stimmt – nicht nehmen ließen, beim größten Ereignis der beliebtesten Sportart des Landes und der Welt dabei zu sein. Anlass und Zwecke der UN-Konferenz am Roten Meer, die Klimakrise einzudämmen und den Verbrauch von Energie zu mindern, passen nun einmal nicht zu Sportereignissen in heruntergekühlten Stadien des Golfemirates. Dass seit dem von Putin angezettelten Krieg die russischen Erdgaslieferungen ausbleiben, aber machte Katar zu einem Partner der Bundesregierung.
Kanzler Olaf Scholz (SPD) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) umwarben das Emirat. Doch war die Fußball-WM dort von Anfang an umstritten – wegen der Nichteinhaltung von Menschenrechten und der unwürdigen Lebens- und Arbeitsbedingungen der Bauarbeiter. Norbert Blüm, der mittlerweile verstorbene Arbeitsminister aus Helmut Kohls Zeiten, hatte schon 2015 auf spektakuläre Weise darauf aufmerksam gemacht – und immer noch ist all das so sehr präsent, dass es auch unter Fußballfans hierzulande heißt: WM? Nein danke!
Was tun? Innenministerin Nancy Faeser (SPD) wurde auf Erkundungstour nach Doha entsandt, gemeinsam mit DFB-Präsident Bernd Neuendorf, hilfreicherweise einst Pressereferent des SPD-Vorstands. Das Ergebnis war durchwachsen. Manches sei besser, wenn auch nicht gut geworden. Die Ministerin jedenfalls könne beim ersten Spiel der deutschen Mannschaft dabei sein. Faeser ist schließlich auch für Sportpolitik zuständig. Womöglich wird sie im kommenden Jahr für das Amt des hessischen Ministerpräsidenten kandidieren – und wer weiß: Vielleicht hat die deutsche Mannschaft Erfolg, vielleicht scheidet sie nicht wie zuletzt in Russland vorzeitig aus, vielleicht dreht sich deswegen die Stimmung in Deutschland und es kommt – Überraschung! – zu einem vorweihnachtlichen Fußballmärchen. Dann ist es hilfreich, an der Seite der feiernden Fans zu stehen, volksnah also. Fast wie im Sommer, als Olaf Scholz dem deutschen Frauenfußball Unterstützung versprach und das Endspiel der Europameisterschaft besuchte.
Auch so wie 2014, als Angela Merkel und Joachim Gauck nach dem Endspiel der Männer-WM mitfeierten. Ob Faeser für den Fall der Fälle sogar Türöffner für den Kanzler sein wird? Politiker sonnen sich gern in der Popularität des Sports. Manche tauchen – samt Entourage – in den Umkleidekabinen auf. Helmut Kohl einst in Mexiko, Merkel in Brasilien und Scholz bei den Frauen im Wembley-Stadion. Oder ist Merkel ein Vorbild für Scholz? Wegen der Krim-Annexion blieb sie 2018 der Fußball-WM in Russland fern.