Kolumne | Aus dem Bannaskreis
Kolumne | Aus dem Bannaskreis
Übrigens: 1975 lag der Konsum von Fleisch in der Bundesrepublik bei 82 Kilogramm pro Person im Jahr und in der DDR bei fast 78 Kilo, und zwar ohne schlechtes Gewissen, was dem Autor dieser Zeilen in Erinnerung blieb, weil er sich im Journalistenpraktikum damals mit dem fraglichen Thema befasste. Tempi passati. „Pro Kopf und Jahr essen wir Deutsche rund 60 Kilo Fleisch. Dieser hohe Fleischverbrauch birgt nicht nur gesundheitliche Risiken. Er erzwingt auch eine Massentierhaltung, die auf Mensch, Tiere und Umwelt keine Rücksicht nimmt. Deshalb fordern wir mehr Verbraucheraufklärung zu den gesundheitlichen, sozialen und ökologischen Folgen des Fleischkonsums.“ Wer war‘s? Julia Klöckner, die CDU-Landwirtschaftsministerin? Markus Söder, CSU? Alles falsch. Die Forderung findet sich im 327 Seiten langen Programm der Grünen, mit dem sie 2013 in den Bundestagswahlkampf zogen. Einen Tag die Woche könne auf Fleisch verzichtet werden, regten sie an. Aufschrei und Empörung bei CDU und CSU waren groß: Die Grünen wollten den Menschen das Fleisch verbieten, sie wollten vorschreiben, was zum Essen auf den Tisch komme. Zwar hatten die Grünen nicht einmal eine gesetzliche Initiative angekündigt, was aber für ihre Kritiker keine Rolle spielte. Auch dass es einst das Kirchengebot gab, am Freitag Fleischabstinenz zu üben, wollten die Freunde des täglichen Schweinebratens nicht mehr wahrhaben: Die Grünen, eine Verbotspartei! Der Kampf gegen den „Veggie-Day“ wurde zum Wahlkampfschlager, 2013. Lang, lang her.
Lernprozesse gehören zur Entwicklung der Menschheit so wie der Themenklau zur Politik. „Es kann mich doch niemand daran hindern, jeden Tag klüger zu werden“, hatte einst der Altvordere der Realpolitik Konrad Adenauer gesagt, was in der – übrigens nicht belegten – Variante „Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern?“ überliefert wurde. Massenhaftes „Kehrt Marsch!“ bei CDU und CSU – „nach“ Rheda-Wiedenbrück. Fleisch dürfe nicht zu billig sein, sagt Klöckner. Weniger Fleisch essen, empfiehlt sie, und einen „Umbau der Tierhaltung“ auch. Wie üblich setzt Söder noch einen drauf – in Migrationsfragen vor zwei Jahren rechtspopulistisch und AfD-nah mit Warnungen vor „Asyltourismus“, dieses Mal in antikapitalistischer Attitüde: „Agrarökologie statt Agrarkapitalismus.“ Die Grünen mochten es kaum glauben, schon wieder recht bekommen zu haben. Alles eine Frage der Zeit eben.