Kolumne | Aus dem Bannaskreis
Kolumne | Aus dem Bannaskreis
Wer die – leicht zu findende – TV-Sequenz aus dem vergangenen Jahr abruft, in der die zwei Kanzlerkandidaten, Armin Laschet und Olaf Scholz, mit der Konkurrentin Annalena Baerbock über die Gaspipeline Nord Stream 2 debattieren, könnte leicht auf den Gedanken kommen, Wladimir Putin, seine Oligarchen in London und anderswo hätten das allergrößte Interesse gehabt, dass Baerbock die Bundestagswahl nicht gewinnt und Bundeskanzlerin wird.
Die Grünen-Kandidatin legte den – die Pipeline befürwortenden – Kandidaten von Union und SPD scharf begründet dar, weshalb sie die Gasleitung ablehne: europapolitisch, außenhandelspolitisch, ökologisch, ökonomisch, Russland betreffend und die Belange der Ukraine beachtend. Sie entsprach der Tradition der Grünen, auf Seiten der russischen (und auch belarussischen Opposition) zu stehen.
Man könnte also auf die Frage kommen, in wessen Interesse es am meisten gelegen haben könnte, dass petitessenhafte Ungereimtheiten in Baerbocks Lebenslauf erst gefunden, dann aufgebauscht und schließlich in eine Debatte übergeleitet wurden, der Wahlkampf der Grünen stocke, und weil er stocke, tauge Baerbock nicht als Kanzlerin. Die Blätter, die eben noch Baerbock als Heilsbringerin gefeiert hatten, leisteten Abbitte und überboten sich danach und deshalb mit Texten, Kommentaren und vermeintlichen Analysen, Baerbock werde maßlos überschätzt. Putin und sein „Netz“ werden sich die Hände gerieben haben. Eine Kampagne lief wie geschmiert.
Die Frage nach dem „Cui Bono?“ wurde nicht gestellt. Die Medienwelt, der Mainstream und ja auch Angela Merkel glaubten an die Sinnhaftigkeit der Gaspipeline und ihre rein privatwirtschaftlichen Bedeutung. Da durfte es keine Rolle spielen, dass Putin und seine Freunde in Baerbock die ärgste Herausforderung sahen, die es – auf welche Weise auch immer – zu schwächen galt. Die ebenso petitessenhaften Schwächen eines Buches der Grünen-Kandidatin – genauer: deren Auffinden und Bekanntmachen – werden Putin und seinen Freunden wie ein Geschenk des Himmels vorgekommen sein.
Auch wer sich eine Reise von Robert Habeck in die Ukraine in Erinnerung ruft, kommt leicht auf solche Gedanken. Habeck sprach sich im Wahlkampf als einziger der maßgebenden Politiker der Parteien, die um das Kanzleramt konkurrierten, für die Lieferung von Defensivwaffen an die Ukraine aus. Er wurde aus seiner Partei deshalb gerügt – auch von Baerbock, die freilich ihren Pro-Ukraine-Part schon geleistet und ihrem Anspruch, Deutschland dürfe Putin nicht in die Hände spielen, schon genügend entsprochen hatte. Für Putin und seine Kleptokraten war also klar: Auf keinen Fall durften die Grünen die Regierung in Berlin anführen. So kam es ja auch – vordergründig.
Habeck ist nun Vizekanzler und Baerbock Außenministerin. Ihre innenpolitischen Ex-Kritiker schweigen oder nehmen nun eine dritte Volte vor: Vom „ganz toll“ über „gänzlich ungeeignet“ und „gar nicht so schlecht“ hin zu: „Zwei Stützen des Kabinetts“. Die Beliebtheitsrankings führen sie an. Den Grundstein dafür haben sie in ihrem Wahlkampf gelegt, der den Interessen Putins und seines „Netzes“ zuwiderlief.