Gruppe 47

Kolumne | Aus dem Bannaskreis

31
07
31
07

Gruppe 47

Kolumne | Aus dem Bannaskreis

In Britannien gab es jüngst eine bemerkenswerte Entwicklung. Von den acht Tories, die um die Nachfolge von Boris Johnson kämpften, hatten nur zwei das Alter von 50 Jahren überschritten – und genau diese beiden schieden als Erste aus dem Rennen aus. Wahlerfolge wurden ihnen nicht zugetraut. Der französische Präsident Emmanuel Macron ist 44. Auf Deutschland übertragen hieße das: Friedrich Merz käme als Kanzlerkandidat nicht in Betracht. Er wird demnächst 67. Die CDU als Partei von gestern?

Doch Olaf Scholz? Seit Kurt Georg Kiesinger (1966-1969) ist er der erste Bundeskanzler, der bei Amtsantritt die 60 überschritten hatte; selbst Ludwig Erhard (1963-1966) war kaum älter. Erstmals ist der neue Kanzler nicht wesentlich jünger als sein Vorgänger – zwischen Helmut Schmidt und Helmut Kohl, zwischen Kohl und Gerhard Schröder und zwischen Schröder und Angela Merkel lag jeweils ein Altersunterschied von mehr als zehn Jahren. Zwischen Merkel und Scholz sind es vier. Keiner im Kabinett ist älter als der Kanzler, was es seit Jahrzenten nicht gab. Auf Scholz (1958 geboren) folgen Karl Lauterbach (1963) sowie Cem Özdemir und Christine Lambrecht (beide 1965). Alle anderen sind zehn Jahre und mehr jünger als Scholz. Wird eine auf Kohl, Schröder und Merkel gemünzte Bemerkung „Jede Generation hat ihren Kanzler“ (Ursula von der Leyen) außer Kraft gesetzt sein?

Fast ist der Generationswechsel in der deutschen Politik vollzogen. Christian Lindner (Jahrgang 1979) ist der jüngste Finanzminister der Bundesrepublik. Auch Außenministerin Annalena Baerbock (1980) ist jünger als alle ihre Vorgänger. Die maßgeblichen FDP-Politiker in Kabinett und Fraktion sind Mitte 40. Die Grünen stellen mit Ricarda Lang (Jahrgang 1994) die jüngste Parteivorsitzende. Wegen Kevin Kühnerts (1989) Einfluss wurde Scholz nicht Vorsitzender der SPD. Die Abgeordneten des Bundestags sind jünger denn je. Zu Beginn der Wahlperiode waren sie im Durchschnitt 47 Jahre alt. Nach früheren Wahlen lag dieser Wert bei 50. 125 der 736 Abgeordneten waren am Wahltag jünger als 35 – der Altersgrenze der Jugendorganisationen ihrer Parteien. Doch sind sie nicht gleich verteilt. 48 gehören der SPD-Fraktion an, 34 den Grünen, 14 der FDP und 11 sogar der AfD – aber nur 16 der CDU/CSU-Fraktion. Unter den zehn jüngsten Abgeordneten sind sieben Grüne, zwei Sozialdemokraten und ein Liberaler.

Bei den Jungwählern lag die Union auf Platz 4 – hinter Grünen, FDP und SPD. Kein Wunder also, dass die Ampelkoalition eine Änderung des Grundgesetzes anstrebt und das Wahlalter auf 16 Jahre senken will. In der Wahlrechtskommission des Bundestages stimmten die Vertreter der Union dagegen – gemeinsam nur mit der AfD. Im Herbst soll weiterverhandelt werden. Doch die CDU ist gespalten. Im grün-schwarz regierten Baden-Württemberg wurde das Wahlalter für Landtagswahlen kürzlich auf 16 gesenkt. Die neue schwarz-grüne Koalition in Nordrhein-Westfalen will das auch. Anzufügen bleibt, dass die jugendlichen Neulinge von SPD und Grünen weniger links-aufmüpfig sind als prognostiziert. Von ihnen jedenfalls geht „Streit in der Koalition“ nicht aus.

Weitere Artikel dieser Ausgabe