Kolumne | Auf den Zweiten Blick
Kolumne | Auf den Zweiten Blick
Elon Musk ist mit seinem Privatjet für ein paar Tage überraschend in Deutschland gelandet und in der brandenburgischen Grünheide aufgeschlagen. Dort im Niemandsland soll seine Gigafactory 4 für die Herstellung von jährlich 500 000 Autos in 11 Monaten entstehen, ein Milliardenprojekt, für das man hierzulande gemeinhin Jahre braucht. Und tatsächlich liegt der Bau im Zeitplan. Von Elon Musk lernen – diese Devise hat Anfang der Woche nun der brandenburgische Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) ausgegeben.
Die Gründe für den rasanten Baufortschritt sind vielfältig: die hohe Motivation und das gleichgerichtete Interesse aller Beteiligten, die perfekte Planung einschließlich einer enormen Flexibilität für notwendige Plananpassungen, die Adaption immer neuen Wissens und die Parallelität verschiedener Bauabschnitte, die normalerweise hintereinander abgearbeitet werden.
Entscheidender Faktor aber ist Musks verblüffende Risikobereitschaft, die all das überhaupt erst möglich macht. Er baut (noch) ohne abschließende Genehmigung. Er riskiert nicht mehr und nicht weniger als einen rechtlich erzwungenen Rückbau und damit das Scheitern des gesamten Vorhabens – ein Milliarden-Risiko. Und er riskiert eine betriebswirtschaftliche Niederlage gegen die weltweit wohl stärkste Konkurrenz, die ein Automobilhersteller sich aussuchen kann. Er baut im Autoland Deutschland, überdies ein Land der Verbrennungsmotoren, in dem das Thema Elektromobilität bei den Kunden noch gar nicht angekommen ist. Ob man Risikobereitschaft lernen kann?
Musk ist kein Unternehmer, der versucht, in gegebenen Verhältnissen sein unternehmerisches Tun zu optimieren. Er ist Unternehmer, der Strukturen, Produkte und Marktregeln maßgeblich verändert – stets mit dem hohen Risiko des Totalausfalls. Er ist einer, der „neue Kombinationen durchsetzt“, wie der österreichische Wirtschaftswissenschafter Joseph A. Schumpeter einst schrieb, was heute gemeinhin als Innovation bezeichnet wird. Dieser Typus komme selten vor im Vergleich zu der Überzahl der statisch disponierten Wirtschaftssubjekte. „Aber umso mehr fällt er auf, umso mehr zieht er die Aufmerksamkeit auf sich.“
Risikobereitschaft kann man womöglich nicht lernen. Noch nicht einmal von Musk. Doch man kann sich mitreißen lassen. So ist es die enorme Risikobereitschaft des gebürtigen Südafrikaners, die – bis auf ein paar ewige Skeptiker und Umweltbesorgte – die Menschen weit über Brandenburg hinaus elektrisiert und sogar SPD-Politiker, wenn auch nicht zu Kapitalisten, so doch zu begeisterten Anhängern eines Vollblutkapitalisten macht.