Die Baerbocks, Laschets und Scholzens sind nicht fesch genug? Alles halb so schlimm! Ein österreichischer Blick
Die Baerbocks, Laschets und Scholzens sind nicht fesch genug? Alles halb so schlimm! Ein österreichischer Blick
Vier Roboter mit Senf. Zwei Dönerspieße. Ein Pony. In Berlin kann man sich verschiedener Bilder bedienen, wenn man sich den Abstand, den man zum Nächsten einhalten sollte, also die Leere zwischen den Leuten, nicht merken kann. Zumindest wenn man Öffi-Benutzerin ist. Wenn man aus dem Land des Babyelefanten kommt, ist das eine willkommene Abwechslung.
Bis heute kann sich nämlich niemand erklären, warum die österreichische Regierung sich ein Tier für die Pandemie ausgesucht hat, dessen genaue Maße niemand aus dem Alltag heraus abrufbar hat – außer vielleicht Tierpfleger im Tiergarten Schönbrunn. Vielleicht ist das ein Grund dafür, warum in Wien ohnehin nie irgendjemand im Supermarkt oder sonst wo auf gebührenden Abstand ging.
Aber jetzt bin ich in Deutschland. Von Juli bis September bin ich sozusagen Wahlbeobachterin für meine Zeitung, den Standard aus Wien. Beobachterin im doppelten Sinne, da ich hier ja nicht selbst wählen darf, sondern nur beobachten kann. Von außen und dabei mitten drinnen.
Der ruhende Pol, die Konstante im Auge des Orkans
Und dabei fällt mir eine andere Leere auf, ein Abstand, der scheinbar noch nicht zu füllen ist. Ein luftleerer Raum, um den herum der Wahlkampf stattfindet. Es scheint, dass mitten im Bewerb um die Kanzlerschaft etwas fehlt. Ein Vakuum im Zentrum des Geschehens. Als ob man noch auf eine Hauptdarstellerin wartete, damit es dann endlich losgehen kann.
Aber die kommt nicht. Denn sie heißt Angela Merkel und spielt bekanntlich nicht mehr mit. Angela Merkel war eben mehr als eine deutsche Kanzlerin. Sie war ein ruhender Pol mitten in Europa, eine Konstante im Auge des Orkans, eine Institution – auch für das Nachbarland. Keine Heilige, keine fehlerfreie Politikerin, aber eine uneitle, überlegte, respektierte Staatschefin, auch oder gerade im Nachbarland. Gerade im Nachbarland Österreich.
Was nach ihr kommen soll, kann mir auch in Deutschland niemand sagen. Klar, niemand hat hier einen Kanzlerbonus, am nächsten kommt da der Vizekanzlerbonus in der Person von Olaf Scholz (SPD). Aber wirklich vom Hocker reißt seine Performance auch niemanden.
Querdenker aller Länder – lieber nicht
Das Klagen über farblose Kandidatinnen und Kandidaten, denen man „nüscht, aber schon gar nüscht“ zutraut, höre ich auch im privaten Umfeld, wenn ich in Berlin unterwegs bin – quasi mit dem Ohr am Volke. Abgesehen von der schrillen Minderheit, die an Wochenenden gerne „Freiheit!“ brüllend durch die Straßen zieht und Polizistinnen und Journalisten attackiert, während sie sich in einer „Corona-Diktatur“ wähnt. Gut. Die haben wir in Österreich auch, keine Sorge. Sie nehmen sich meiner persönlichen Meinung nach eigentlich selbst aus jedem ernstzunehmenden demokratischen Diskurs. Gerade deshalb müsste man aber sie und jene, die sie von rechtshinten anfeuern, sehr ernst nehmen.
Die Themen wären in diesem Wahlkampf aufgelegt: Die Flut im Juli mit hunderten Toten schwemmte die Klimakatastrophe nochmals ganz nach oben auf der Agenda. Die Pandemie hat auch im reichen Deutschland wirtschaftlich und gesellschaftlich Narben hinterlassen und eine gerechte Umverteilung in noch weitere Ferne gerückt. Und wenn man wie ich in Kreuzberg wohnt, kann man auch die Auswirkung der Wohnungspolitik erste Reihe fußfrei beobachten. Auf vielen Straßen und Plätzen haben Obdachlose sich mit Zelten, Matratzen und Teppichen behelfsmäßige Lager gebaut. Nicht etwa Geflohene, die natürlich auch in keinem zivilisierten Land auf der Straße leben müssen sollten, sondern zu einem großen Anteil Wählerinnen und Wähler – wie man erfährt, wenn man mit ihnen spricht.
Die Wohnungslosen in Kreuzberg fühlen sich von der Regierung im Stich gelassen. Ebenso wie hunderte Deutsche, die aktuell unter Lebensgefahr in Afghanistan festsitzen. Weil man die Evakuierung verschlafen hat, während eine aus der Kunst kommende Gruppe schon im Juli Safe Houses anmietete für jene Afghaninnen und Afghanen, die jahrelang für Deutschland gearbeitete hatten. Wussten die Aktivistinnen und Aktivisten vom Zentrum für Politische Schönheit mehr als die Geheimdienste der Republik?
Lieber fad als messianisch
Themen gäbe es also genug, auf die man ganz konkrete Antworten anbieten könnte, wo man täglich klare Kante zeigen könnte, ohne deshalb in den Populismus abzurutschen.
Doch den wahlwerbenden Parteien scheint es immer wieder die Sprache zu verschlagen. Man sieht Annalena Baerbock beim „Wandern“ mit dem ihr zur Seite gestellten (Aufpasser oder Begleitschutz – man weiß es nicht genau) Robert Habeck in Straßenschuhen lustlos im Moor herumstehen. Man sieht Armin Laschet, wenn er gerade nicht an unpassenden Orten kichernd im Hintergrund steht, mit Boxhandschuhen einen auf Haudrauf machen und neben schüchternen Jungs in einem Boxclub Platz nehmen. Und Olaf Scholz, der zumindest nur fad rüberkommt.
Aber wissen Sie was, liebe Deutsche? Als Österreicherin verrate ich Ihnen: Alles halb so schlimm! Stellen Sie sich vor, Sie müssten zwischen einem sich messianisch gebärdenden rechtskonservativen Kanzlerkandidaten, einem verschämt schweigenden Grünen in Geiselhaft des Messias, einer von ihrer Gefolgschaft im Stakkato gebeckmesserten roten Ärztin und einer AfD wählen, die bei uns FPÖ heißt? Letztere stellte sogar schon einen berittenen Innenminister – zumindest so lange, bis der damalige Vizekanzler ganz Österreich bei Wodka-Red Bull auf einer spanischen Ferieninsel verscherbeln wollte.
Sie finden das lustig? Glauben Sie mir: Wir nicht. Farblose Kandidatinnen sind jetzt Ihr geringstes Problem. Ich bleibe jedenfalls, sehe weiter zu und warte gespannt ab, wie das hier ausgeht.