Iran – so far away

Worauf es für Europa jetzt ankommt in den Verhandlungen mit Teheran

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IMAGO/RALPH PETERS
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Iran – so far away

Worauf es für Europa jetzt ankommt in den Verhandlungen mit Teheran

In Wien beginnen in dieser Woche Verhandlungen über die Wiederbelebung des Atomabkommens mit Iran. Die E3 (Deutschland, Frankreich und Großbritannien), Russland und China sondieren Möglichkeiten zur Wiederaufnahme der Gespräche, die USA sind in Wartestellung. Der Prozess darf nicht erneut entgleisen, das Nuklearthema ist wichtig, aber nicht ausreichend. Die Europäer müssen jetzt Führungsverantwortung übernehmen.

Diesmal sollte von Anfang an ein zweites Ziel angestrebt werden: die Schaffung eines Rahmens für regionale Sicherheit und Stabilität im Mittleren Osten. Das ist ein europäisches Kerninteresse und eine Lehre aus den Anfängen des Verhandlungsprozesses.

Ein Blick zurück: Im Herbst 2003 machen die Außenminister der E3 ihre historische Reise nach Teheran. Die europäische Strategie verfolgt zwei Ziele: neben der Verhinderung der militärischen Nutzung des iranischen Atomprogramms die Einbindung Irans in ein regionales Sicherheitskonzept. Iran hat dagegen nur ein strategisches Ziel: Erlangung der Fähigkeit zur Anreicherung von Uran, Voraussetzung nicht nur für die Produktion von Brennstäben für zivile Reaktoren, sondern auch zur Produktion einer Nuklearwaffe.

Taktisch will Teheran die Verhandlungen im Rahmen der Internationalen Atomenergiebehörde IAEO halten und eine Überweisung an den UN-Sicherheitsrat verhindern. Die erste Phase des Verhandlungsprozesses dient dem Aufbau gegenseitigen Vertrauens. Die Gespräche sind atmosphärisch offen, in der Sache schwierig. Ein erster Zwischenerfolg ist es, als Teheran Anreicherungsaktivitäten auf freiwilliger Basis suspendiert, sein Programm unter IAEO-Kontrolle stellt und das Zusatzprotokoll zum Nichtverbreitungsvertrag zeichnet. Damit ist nach Auffassung Teherans der Weg frei für Themen wie Handelsaustausch, Terrorismus, regionale Sicherheit. Die E3 bestehen dagegen auf einer „Suspendierung aller (!) anreicherungsrelevanten Aktivitäten“, was nach Auffassung der IAEO noch nicht vollständig der Fall ist. Die rote Linie der Europäer bleibt der Zusammenbau und der Test von Zentrifugen.

Nach monatelangen, sehr kontroversen Verhandlungen gelingt im November 2004 die Einigung auf das Paris-Abkommen. Danach erklärt Iran sich freiwillig bereit zur Aussetzung der Urananreicherung, einschließlich aller damit in Verbindung stehenden Aktivitäten. Iran und die EU haben die Tür für Verhandlungen zu einem langfristigen Abkommen über die beiderseitigen Beziehungen geöffnet.

Im Sommer 2005 endet diese erste Phase des Verhandlungsprozesses mit Iran ohne Ergebnis. In Teheran kommt Ahmadinejad an die Macht. Die E3 nehmen mit USA, Russland und China die drei weiteren ständigen Sicherheitsratsmitglieder an Bord, aus den E3 werden „E3 plus 3“. Der Prozess wird von der IAEO in den UN-Sicherheitsrat verlagert, um den Druck auf Teheran zu verstärken. Letzte Versuche eines gesichtswahrenden Kompromisses scheitern 2007.

Erst mit der Wiederwahl von Präsident Barack Obama in den USA und der Wahl des „Realisten“ Hassan Rohani zum iranischen Präsidenten öffnet sich 2013 ein neues window of opportunity.

Rohani, der als Sekretär des Nationalen Sicherheitsrates in der Anfangsphase die Nuklearverhandlungen auf iranischer Seite verantwortet hatte, ist mehr als vertraut mit den zahllosen Fallstricken dieses hochkomplexen Prozesses und genießt den Respekt der westlichen Verhandlungsführer. Jetzt sind auch die USA bereit, sich aktiv und konstruktiv in die Verhandlungen einzubringen. US-Außenminister John Kerry und die Generalsekretärin des Europäischen Auswärtigen Dienstes, Helga Schmid, spielen eine wichtige Rolle. Im Juli 2015 wird das historische Iran-Abkommen unterzeichnet. Ein für alle Parteien, vor allem aber für die europäische Sicherheit wichtiger Baustein. Das ist der von den E3 ursprünglich avisierte erste Schritt.

Der zweite Schritt, die Fortsetzung des Prozesses über die Nuklearfrage hinaus zur Erreichung weiterer strategische Ziele, wird dagegen 2015 versäumt. Donald Trumps Austritt aus dem Atomabkommen 2018 verhindert dies endgültig.

Umso wichtiger ist die jetzt mögliche Neuaufnahme des Verhandlungsprozesses. Zwei Lehren sollten aus den vergangenen 18 Jahren Verhandlungen mit Iran gezogen werden: Die EU muss die treibende Kraft sein bei der Formulierung realistischer Ziele und der Gestaltung des dafür erforderlichen Prozesses. Europa darf sich nicht zum Erfüllungsgehilfen der USA machen lassen.

Aber es geht auch nicht ohne die USA. Ihr Gewicht und ihr Einfluss bleiben für beide Seiten eine nicht wegzudiskutierende Tatsache: Washington vertritt eigene Interessen, die nur teilidentisch sind mit den europäischen. Präsident Joe Biden scheint entschlossen, eine konstruktive Rolle zu spielen trotz starker republikanischer Opposition – keine schlechte Ausgangslage für ein „good cop, bad cop“-Szenario.

Worauf muss es den Europäern jetzt ankommen?

1) Oberstes Ziel bleibt die Umsetzung des Nuklearabkommens durch Teheran in allen Teilen. Das erfordert eine systematische Kontrolle durch die IAEO. Das internationale Vertrauen, dass Iran trotz Beherrschung des Brennstoffkreislaufs keine Atomwaffe anstrebt, ist Voraussetzung für alle weiteren Schritte. Dazu gehören Transparenz und völkerrechtliche Einhegung auch des iranischen Raketenprogramms.

2) Die E3 plus 3 müssen ihren Teil des „Deals“ glaubwürdig umsetzen, das heißt Aufhebung von Sanktionen und Ausweitung des Handels. Die Zusammenarbeit im Bereich ziviler Nukleartechnologie sollte ebenso wenig tabu sein wie Energiezusammenarbeit, Terrorismusbekämpfung oder der gemeinsame Kampf gegen den Klimawandel.

3) Es geht um Stabilität in der Region, nicht um einen Regimewandel im Iran. Schlüssel ist der Einstieg in einen politischen Sicherheitsdialog, der über das europäisch-iranische Verhältnis hinausgeht. Kernziel bleibt, Iran in einen umfassenden Prozess der Sicherheit und Zusammenarbeit im Mittleren Osten einzubinden. Das ist angesichts des fortdauernden Syrien-Krieges, der offenen Rivalität mit Saudi-Arabien und der Feindschaft Irans mit Israel fast die Quadratur des Kreises.

Aber eine solche Initiative ist regional lange überfällig und liegt im geopolitischen Interesse Europas. In Helsinki 1975 erschien das Ziel auch utopisch, der KSZE-Prozess hat aber unseren Kontinent sicherer gemacht. Die EU sollte diese historische Erfahrung jetzt im Mittleren Osten nutzen. Dafür ist europäische Führungsverantwortung erforderlich.

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