Kann Joe Biden eine neue Balance zwischen Saudi-Arabien und dem Iran finden?
Kann Joe Biden eine neue Balance zwischen Saudi-Arabien und dem Iran finden?
Wird der mörderische Bruderkampf im Jemen bald ein Ende finden? Der dort zwischen dem sunnitischen Saudi-Arabien und dem schiitischen Iran tobende Stellvertreterkrieg hat große Teile dieses arabischen Landes zerstört, zehntausende Jemeniten zu Flüchtlingen im eigenen Land gemacht oder ins Ausland getrieben und die Wirtschaft zerrüttet. Ähnlichkeiten mit Syrien sind mit Händen zu greifen. Und der jüngste Angriff der Houthi auf den saudischen Flughafen von Abha macht wieder einmal deutlich, welche Stufe der Eskalation dieser Konflikt erreicht hat.
Es wird – sollte es überhaupt zu einer Befriedung kommen – viele Jahre dauern, bis all die Wunden geheilt sind, die sich das Land selbst geschlagen hat – unter kräftiger Mithilfe auswärtiger Mächte allerdings. Was vor Jahren als interne Auseinandersetzung zwischen den schiitischen Houthi-Rebellen im Norden des Landes und der Zentralregierung in Sanaa begonnen hatte, wuchs sich zu einem handfesten Bürgerkrieg aus, der – wie auch die kriegerischen Ereignisse in Syrien – immer stärker die Nachbarländer involvierte, vor allem die beiden miteinander rivalisierenden Regime in Riad und Teheran. Seit vielen Jahrzehnten schon kämpfen beide um die Vorherrschaft am Golf. Doch auch die Großmächte waren und sind betroffen, Amerika jedoch weitaus stärker als Russland, das sich ganz auf Syrien als seinen wichtigsten Verbündeten konzentriert hat.
Der neue amerikanische Präsident Joe Biden hat in den wenigen Tagen seiner Amtszeit schon manches zum Besseren gewendet, was sein irrlichternder Vorgänger Donald Trump angerichtet hatte. So keimen auch Hoffnungen für die Jemen-Krise auf, denn Biden hat distanzierende Worte gegenüber Saudi-Arabien, dem wichtigsten Verbündeten in der Region, gesprochen. Gleichzeitig hat er deutlich gemacht, dass er auch im Hinblick auf die Islamische Republik Iran einen anderen Kurs einschlagen will als sein Vorgänger. Der hatte das Atom-Abkommen mit den Mullahs brüsk aufgekündigt, damit eines der wichtigsten multilateralen Abkommen der jüngsten Zeit überhaupt torpediert und neues Öl ins Feuer gegossen.
Trumps demonstrative, bedingungslose Unterstützung der saudischen Monarchie hatte, im Verein mit der einseitigen Aufkündigung des Nuklear-Deals mit Iran, den jemenitischen Bürgerkrieg weiter eskalieren lassen. Und zwar auf beiden Seiten: in Riad wie in Teheran. Die letzten Hemmungen, sofern welche vorhanden, waren gefallen.
Freilich: Mehr als Hoffnungen sind es einstweilen nicht, die durch Bidens „Kurswechsel“ gegenüber den beiden mächtigsten Protagonisten geweckt werden. Viel wird davon abhängen, wie das Mullah-Regime auf Bidens Entgegenkommen reagiert. Teheran möchte die Sanktionen vom Tisch haben. Sollte zumindest der Stand eines Status quo ante, das heißt zum Zeitpunkt des verbindlichen, auch von den Europäern begrüßten Atom-Abkommens, wieder erreicht werden, könnte Washington seine Mahnungen an Riad mit sehr viel besseren Argumenten begründen.
Denn nichts fürchtet man nach wie vor in Saudi-Arabien wie in den übrigen arabischen Kleinstaaten am Golf mehr als das durch Irans Regime radikalisierte Schiitentum, mag dies auch etwas in die Jahre gekommen sein.
Im Osten Saudi-Arabiens, wo das saudische Erdöl gefördert wird, lebt eine nicht unbeträchtliche schiitische Minderheit, deren Loyalität sich das saudische Königshaus schon immer sichern musste. Im kleinen Golfstaat Bahrain machen die Schiiten etwa 70 Prozent der Bevölkerung aus. In den Anfängen des – inzwischen gescheiterten – arabischen Frühlings begehrten sie so sehr auf, dass ein Umsturz mit saudischer Hilfe gerade noch abgewendet werden konnte; und auch die übrigen Golf-Anrainer beobachten mit Argusaugen, was in Teheran geschieht. Irans massives Engagement zugunsten der Houthi-Rebellen im Jemen ist von Saudi-Arabien immer als eine schiitische Umklammerung oder Einkreisung empfunden worden, als Bedrohung seiner südwestlichen, am Roten Meer gelegenen Flanke.
Aus demselben Grund hatten die Herrscher in Riad schon in den 1960er-Jahren die konservativen Stämme des Jemen gegen die vom damaligen ägyptischen Präsidenten Gamal Abdel Nasser gesponserten „revolutionären“ Kräfte unterstützt. Und nicht vergessen hat man, dass es „Kämpfer“ auch jemenitischer Herkunft waren, die 1979 vorübergehend die Große Moschee in Mekka, das wichtigste Heiligtum des Islam, besetzten. Im Jemen begriff Riad sich aus seiner Sicht immer als „Ordnungsmacht“.
Auch unter Präsident Biden wird Saudi-Arabien der mit Abstand wichtigste Verbündete in der Region bleiben. Nicht allein des Erdöls wegen, sondern vor allem aus geostrategischen Gründen.
Als Hüter der heiligen Stätten des Islams, Mekka und Medina, kommt dem wahhabitischen Königreich zudem eine kaum zu überschätzende religiöse Bedeutung für den gesamten Welt-Islam zu – ungeachtet seines undemokratischen Charakters und der zahlreichen Menschenrechtsverletzungen, die dort zu beklagen sind. Doch eine „Implosion“ des wahhabitischen Königreiches in einer Region, deren Staaten – sieht man einmal von Jordanien und den prosperierenden Kleinstaaten am Golf ab – bereits von innerem Zerfall bedroht sind, wäre eine Katastrophe.
Im Rahmen einer Neu-Justierung der Außenpolitik ist Amerikas Diplomatie nun gefragt, gegenüber Iran ebenso wie gegenüber Saudi-Arabien, wo es gilt, den dort nur ganz zaghaft aufkeimenden Prozess einer inneren Öffnung geschickt zu unterstützen. Biden muss Riad davon überzeugen, dass ein Ende des Jemen-Krieges und ein dauerhafter Friede im Verbund mit weiteren Öffnungen der eigenen Gesellschaft, wie der umstrittene Kronprinz Mohammad Bin Salman sie immerhin betreibt, mehr zur Stabilität des Landes beitragen wird als unentwegte und überbordende Waffenlieferungen. Ähnliches gilt gegenüber Iran. Da muss Washington Trumps extrem rigide Haltung überdenken, auch wenn das manche in Israel und anderswo anders sehen.