Kammerspiel

Kolumne | Aus dem Bannaskreis

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Kolumne | Aus dem Bannaskreis

Eine Uralttaktik der Opposition ist es, die Bundesländer zu instrumentalisieren, um sich gegen die Mehrheit des Bundestages durchzusetzen – was dann gelingen kann, wenn Gesetze ausdrücklich der Zustimmung des Bundesrates bedürfen. Die Union verbuchte jüngst einen Erfolg – im Streit darüber, die Hartz-IV-Regelungen durch ein Bürgergeld zu ersetzen. Olaf Scholz musste nachgeben. Die Grünen machten es während der Großen Koalitionen – in den Debatten über das Asylrecht, als es um „sichere Herkunftsländer“ ging. Angela Merkel musste sich fügen. Zu Zeiten Helmut Kohls taten es die damaligen SPD-Ministerpräsidenten Oskar Lafontaine und Gerhard Schröder in der Steuerpolitik. Kohl warf der SPD „Blockade“ vor. Doch entstand der Eindruck von Führungsschwäche. Die kommt beim Publikum nicht gut an.

Neu ist es, die Verhältnisse im Bundesrat zur Bereinigung innerer Querelen einzusetzen. Im Ausländerrecht sind die Unionsparteien uneinig über Pläne der Bundesregierung. Um das zu kaschieren, wies CDU-Chef Friedrich Merz den Vorwurf aus den Ampelkoalition, die Unionsparteien betrieben eine „Blockadepolitik“, auf vorsorgliche Weise zurück. „Dieses Gesetz wird aller Voraussicht nach im Bundesrat nicht zustimmungspflichtig sein“, sagte er in der ARD. „Das ist dann ein sogenanntes Einspruchsgesetz, wo es eine Mehrheit im Bundesrat geben müsste, um Einspruch einzulegen.“ Für einen solchen Einspruch aber haben die von der Union mitgeführten Landesregierungen keine Mehrheit im Bundesrat. Ähnlich auch Christian Lindner, FDP, in Sachen Erbschaftsteuerreform. Mit dem Vorhaben seiner Ampelregierung ist er unzufrieden, weil in bestimmten Fällen eine Steuererhöhung die Folge wäre. Also erinnerte er die Union daran, „ihre“ Landesregierungen könnten die – bei Steuerangelegenheiten erforderliche – Zustimmung im Bundesrat verweigern. Frech ist das auch – stehen doch die Einnahmen aus der Erbschaftsteuer den Ländern zu.

Gerne verwenden Landespolitiker die Losung „Erst das Land, dann die Partei“. Die Wirklichkeit sieht oft anders aus, was an Mehrheiten und Verhältnissen liegt. Und die sind so: Von den 69 Stimmen, über die die Bundesländer – abgestuft nach ihrer Einwohnerzahl – im Bundesrat verfügen, kann sich die Ampelkoalition nur der 13 Stimmen sicher sein, über die die gleichfarbige Koalition in Rheinland-Pfalz sowie die von Rot-Grün regierten Länder Hamburg und Niedersachsen verfügen. Allenfalls könnten die 14 Stimmen der von Rot-Rot-Grün regierten Länder (Berlin, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen) hinzugezählt werden. Zudem können die Länder ihre Stimmen nur geschlossen als Block abgeben; bei interner Uneinigkeit pflegen sie sich zu enthalten, was sich als Nein auswirkt.

Bei den zwölf verschiedenfarbigen Koalitionen in den 16 Bundesländern haben die Unionsparteien Einfluss auf die Vergabe von 39 Stimmen, die SPD auf 42 Stimmen und die Grünen sogar auf 53 Stimmen. Die Grundgesetzformel „Durch den Bundesrat wirken die Länder bei der Gesetzgebung des Bundes und der Verwaltung und in Angelegenheiten der Europäischen Union mit“ bietet genügend Raum für alle, über Bande zu spielen.

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