Kanzlerwahlverein ohne Klubversammlung

Wie funktioniert Wahlkampf im Pandemiestil? Ein Unions-Quintett sucht nach Antworten, jeder für sich

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PICTURE ALLIANCE/DPA/AP POOL | MARKUS SCHREIBER
Zukunftshoffnung K-Frage?: Markus Söder
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PICTURE ALLIANCE/DPA/AP POOL | MARKUS SCHREIBER
Zukunftshoffnung K-Frage?: Markus Söder

Kanzlerwahlverein ohne Klubversammlung

Wie funktioniert Wahlkampf im Pandemiestil? Ein Unions-Quintett sucht nach Antworten, jeder für sich

Große, fensterlose Hallen, große, manchmal weniger große Reden, viele Menschen, dicht an dicht – das kennzeichnete einen typischen deutschen Parteitag noch bis vor etwas weniger als einem Jahr. Diese Zusammenkünfte sind schließlich die Orte, an denen die Weichen für die Zukunft einer Partei gestellt werden, selbst eine Art Legislative.

Entsprechend wurden sie inszeniert. Aber seitdem sich das Coronavirus auch in Deutschland ausgebreitet hat, gibt es diese Art von Parteitagen kaum noch. Auch viele andere Parteiveranstaltungen sind nicht mehr möglich: keine Stammtische mehr in unbelüfteten Nebenzimmern von Gasthäusern, keine Bierzeltauftritte oder Mitgliederempfänge. Schnell wurden deshalb neue Online-Formate (weiter)entwickelt, die vor allem diese Veranstaltungen ersetzen sollen. Damit hat die digitale Parteiarbeit durch die Pandemie einen unverhofften Schub bekommen. Noch nie war es so einfach und vor allem so akzeptiert, sich vom Wohnzimmer aus an Gesprächen mit anderen Mitgliedern und Amts- und Mandatsträgern zu beteiligen – gleichzeitig wurde aber auch deutlich, was in der Vergangenheit versäumt worden war, etwa die Anpassung des 1967 eingeführten Parteiengesetzes. Änderungen gab es in den vergangenen Jahren vor allem die Parteienfinanzierung betreffend. Die Rechtslage für Onlineparteitage hingegen: unsicher. Digitale Wahlen des Vorstandes oder etwa Satzungsänderungen: unmöglich.

Für die meisten Parteien war das verkraftbar, weil sie, mit Olaf Scholz als Ausnahme, in diesem Jahr keine größeren Personalentscheidungen treffen müssen. Anders die CDU – die Christdemokraten stehen deshalb vor einer besonderen Herausforderung. Nicht nur, dass der Termin für den Parteitag Corona-bedingt mehrfach verschoben werden musste, auch die Kandidaten für den Parteivorsitz müssen neue Wege finden, um für sich zu werben.

Armin Laschet setzt auf die Wirkung seines Amtes als Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen. Das ist sein Alleinstellungsmerkmal. Denn ein Amt, mit dem Norbert Röttgen oder Friedrich Merz aktiv in der Corona-Krise agieren könnten, haben beide nicht. Laschet scheint sich darauf zu verlassen, dass er gerade in diesen Zeiten mit Regierungserfahrung punkten kann. Bislang allerdings eher erfolglos. Explizit als Wahlkämpfer, der den Kontakt mit den CDU-Mitgliedern sucht, ist er nur selten wahrnehmbar.

Anders Röttgen und Merz. Jeder Kontakt mit der Basis, jede Interview-Äußerung wird in ihren jeweiligen Kanälen auf den sozialen Plattformen dokumentiert. Bei beiden dürfte das auch eine Lehre aus vergangenen Niederlagen sein: Röttgen war es im NRW-Wahlkampf 2012 zum Verhängnis geworden, dass er eben nicht der nahbare Typ war, der noch lange bei Bratwurst und Bier mit den Menschen zusammensitzt. 2020 will er beweisen, dass er auch anders kann: Fotos zeigen ihn jetzt explizit mit jener Bratwurst-und-Bier-Combo, beim Spaziergang mit dem Hund oder vor dem Tablet, vertieft in Gespräche mit den CDU-Mitgliedern. Zudem kann Röttgen darauf setzen, dass er als Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag ein gern gefragter Gesprächsgast zu allen internationalen Themen ist – auch in Corona-Zeiten.

Merz hingegen, der weder Parteiamt noch Mandat hat, muss sich anderweitig Aufmerksamkeit verschaffen. Solange es noch möglich war, tourte er von Veranstaltung zu Veranstaltung, von Kreis- zu Orts- zu Landesverband, setzt vor allem auf den direkten Kontakt mit der Basis. Wohl auch aufgrund der Erfahrungen, die er im Wettbewerb um den Parteivorsitz 2018 gemacht hat: Auf dem Parteitag in Hamburg schien er sich am Abend vor der Stichwahl schon zu sicher zu sein und warb, im Gegensatz zu Annegret Kramp-Karrenbauer, bei den Delegierten kaum noch für sich. Das kam nicht gut an. 2020 versucht er, das nun gutzumachen. Die Einschränkungen durch Corona sind für ihn auch deshalb ein größeres Problem als für seine Konkurrenten. Wie blank die Nerven liegen, zeigte sich, als er vor wenigen Wochen den Streit um die Verschiebung des Parteitages öffentlich eskalieren ließ.

Wer das Rennen machen wird, scheint jedoch noch völlig offen zu sein. Umfragen dazu bilden entweder die Stimmung in der Gesamtbevölkerung oder unter den CDU-Anhängern ab. Gewählt wird der Parteivorsitzende jedoch von den Delegierten. Zwei Dinge lassen sich daraus dennoch ableiten: Zum einen, dass Röttgen die Krise gut genutzt zu haben scheint und die Außenseiterposition, mit der er ins Rennen gestartet ist, verlassen hat, in manchen Umfragen ist er beliebter als Laschet.

Und zum anderen der Eindruck, den man auch bekommt, horcht man in die Partei hinein: Wirklich überzeugen kann keiner der drei Kandidaten. Die oft als Kanzlerwahlverein verspottete CDU wirkt geradezu wahlmüde. Besonders deutlich zeigt sich das daran, dass neben Merz, Laschet und Röttgen auch immer wieder zwei andere Namen von im Moment besonders präsenten Männern fallen. Der von Gesundheitsminister Jens Spahn und der des bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder. Letzterer dann, wenn es um die Kanzlerkandidatur geht. Der CSU-Chef versteht es besser als die Kandidaten für den CDU-Vorsitz, die Coronakrise für seine Außenwirkung zu nutzen. Seine Beliebtheitswerte sind deutlich höher als die von Merz, Laschet und Röttgen. Zudem weiß er, sich geschickt im Spiel um die Kanzlerkandidatur zu halten, ohne konkrete Versprechungen zu machen.

Er wird sich genau überlegen, ob er selbst diesen Schritt gehen wird. Zwei Voraussetzungen bräuchte es dafür mindestens: Zum einen müsste es schlecht um die Chancen eines CDU-Vorsitzenden stehen, bei den Wahlen im Herbst zu gewinnen. Zum anderen müsste Söder dann in einer solchen Stimmungslage von der CDU gerufen werden. Sich die Krone selbst aufzusetzen, wäre strategisch unklug.

Im Januar will die CDU ihren Parteitag nun stattfinden zu lassen, eine tatsächliche Entscheidung der K-Frage in der Union wird dieser aber wohl nicht erbringen. Denn eine solche Online-Veranstaltung hat mindestens einen großen Nachteil: Es fehlt das Gefühl für die Stimmung, für Dynamiken, die sich entwickeln können; Applaus, Zustimmung, Ablehnung, alles bleibt verborgen hinter den heimischen Bildschirmen. So wird es am Ende also einen Vorsitzenden geben, aber dessen Ergebnis kann nicht abbilden, ob er mit Begeisterung gewählt wurde oder sich viele doch nur für das kleinere Übel entschieden haben.

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