Kolumne | Direktnachricht
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„Ich sehe, wie die von hinten kommen mit vielen, in voller Montur. Ich sage zu den Kindern, keine falsche Bewegung, weil die knallen uns alle ab hier und sagen dann, dass es Notwehr ist. Die stehen mit Waffen auf uns gerichtet an allen Türen und sagen: Langsam aussteigen! Hände auf die Lenkung! Hände zeigen! Langsam aussteigen! Dann mussten wir die Hände auf das Autodach legen und sie haben noch immer die Waffen auf uns gerichtet. Ich sage: Bitte ich bin der Vater von Mercedes Kierpacz. Die hören mir nicht zu.“
In der schrecklichen Nacht des 19. Februar 2020 wurden Filip Gomann und andere Familienangehörige von Mercedes Kierpacz während einer Kontrolle von der Polizei auf solch unwürdige Weise behandelt. Eine Entschuldigung für diesen Umgang gab es bis heute nicht. Drei Jahre nach dem rechtsterroristischen Anschlag von Hanau müssen die Überlebenden und die Hinterbliebenen der Opfer nach wie vor um eine lückenlose Aufklärung der Ereignisse und politische Konsequenzen kämpfen. Ohne ihr beharrliches wie erschöpfendes Engagement, wäre unsere weiße Dominanzgesellschaft schon längst zur Tagesordnung kompletter Ignoranz übergegangen.
Im Untersuchungsausschuss des Hessischen Landtags wurde das Versagen der verantwortlichen Institutionen umso offensichtlicher. So war zum Beispiel der Notruf der Polizei am 19. Februar nicht nur unterbesetzt, obwohl es im Haus noch eine Kollegin gegeben hätte. Außerdem kam heraus, dass für den etwa 200 000 Menschen umfassenden Hanauer Altkreis fast 20 Jahre lang gar kein funktionierender Notruf existierte. Für nicht angenommene Anrufe bestand keine Weiterleitung, die Notrufe liefen damit ins Leere. Am 19. Februar war das ein entscheidender Faktor, als Vili Viorel Păun mehrmals erfolglos die Polizei anrief und er den Täter verfolgte, bis er schließlich selbst zum Opfer des Rassisten wurde.
Die Gefahr wird heute durch den rassistischen Vater des Täters weitergetragen. Seit mehreren Monaten belästigt er Serpil Temiz Unvar, Mutter des getöteten Ferhat Unvar. Jeden Tag steht er vor ihrer Haustür und kommt auch zum Schulhof ihrer Kinder, berichtet sie. Wie sollen trauernde Menschen so heilen können? Die Staatsanwaltschaft ermittelt zwar, doch zum Gerichtstermin erschien der 75-Jährige nicht. Bei seinem Sohn, Tobias R., wurden die gefährlichen Anzeichen seiner Gesinnung nicht ernst genommen, bis es zu spät war. Die Hinterbliebenen der Opfer vor Hans-Gerd R. bestmöglich zu schützen, wäre das mindeste, was die Politik nun für sie tun könnte.
Wir leben immer noch in einem Land, wo es als schlimmer gilt, Rassismus zu benennen, als dass rassistische Worte geäußert wurden – geschweige denn anzuerkennen, dass Worten irgendwann Taten folgen. Gerne ist dann von „der Rassismuskeule“ die Rede, um sich jeglicher Auseinandersetzung und Verantwortung zu entziehen. Die CDU hat so gerade erst (wieder) Wahlkampf gemacht und gewonnen (ein eng abgestimmter Wahlkampf zwischen Berliner und CDU auf Bundesebene, wie Friedrich Merz bestätigte). „Erinnern heißt verändern!“, heißt es von der Initiative 19. Februar Hanau – denn alles andere sind nur deutsche Kontinuitäten.