Knäckebrot­protestantismus

Editorial des Verlegers

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Knäckebrot­protestantismus

Editorial des Verlegers

Liebe Leserinnen und Leser,

in dieser Ausgabe des Hauptstadtbriefs am Samstag meldet sich Claus Leggewie mit einem wichtigen und gewichtigen Kommentar angesichts der wahrlich unerfreulichen Bilder und Berichte über „Anti-Corona-Demonstrationen“ in Berlin in der vergangenen Woche, bei denen sich viele der Protestkundgebungen, die den hehren Begriff der Freiheit auf dem Schilde führten, in Wahrheit als Gefahr für Gesundheit und Wohlbefinden ihrer Mitmenschen herausstellten – mithin als Vertreter des geistlosen Eigensinns und als eigentliche Feinde der Freiheit.

Leggewie, einer der profiliertesten Publizisten, die wir in Deutschland haben, stellt die Querdenker-Bewegung zugleich in einen internationalen Kontext und beschreibt die Ursprünge und Abwege ihrer Ideen – ein Essay, dem man nicht genügend Leserinnen und Leser wünschen mag.

Auch Robert Grzeszczak schreibt in seinem Beitrag für diesen Hauptstadtbrief über Gefährdungen der Demokratie. Die Angriffe der PiS-Regierung auf die demokratischen Institutionen, das Rechtssystem und die Medien sind überaus besorgniserregend. Grzeszczak, Professor für Sozialwissenschaften an der Universität Warschau, ringt in seinem Essay mit der Hoffnung, die Europäische Union könnte helfen, die gezielten Eskalationen der polnischen Regierung gegen Pluralismus und eine unabhängige Justiz einzudämmen, und der Analyse, dass die Möglichkeiten Brüssels, politisch und rechtlich, doch sehr eingeschränkt sind. Die Bedeutung der Wahlen 2023 für Polen – und Europa – ist deswegen auch kaum zu überschätzen.

Die Modephilosophin Blair Waldorf sagte einst, Mode sei die einflussreichste Kunstgattung überhaupt, sie zeige der Welt, „wer wir sind und wer wir gerne wären.“ Anne Wizorek macht in ihrer Kolumne Direktnachricht die politisch-historischen Implikationen dieser These eindrücklich deutlich. Angefangen bei der ersten Hosenanzugsträgerin des Deutschen Bundestags bis zu den deutschen Turnerinnen bei den Olympischen Spielen in Tokio, von den Gerichtsurteilen zum Kopftuch bis zu den jüngsten amerikanischen Kulturkämpfen – ein so erhellender wie aufrüttelnder Parforceritt, der einen, im wahrsten Sinne des Wortes, die Menschen mit anderen Augen sehen lehrt.

Mit herzlichen Grüßen verbleibe ich – bis morgen

Ihr Detlef Prinz

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