Kolumne | Direktnachricht
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Wer die Wahl hat, hat die Qual – wer eine bevorstehende Bundestagswahl hat, wird durch das Triell gequält. So lautet doch diese Redewendung – oder nicht? Es gibt aktuell natürlich diverse Formate, die über die Wahl berichten und den Kandidierenden eine Plattform geben. Anhand des Triells lassen sich die Probleme des Politikjournalismus aber am deutlichsten beobachten.
Aufgebaut ist es wie eine Art Speeddating für Journalist_innen und Menschen, die knietief in politischen Debatten stecken. Viele wichtige Themen werden da nur oberflächlich angerissen, andere gehen völlig in verwirrenden Details unter. Wer kein News Nerd ist, bleibt auf der Strecke, soll sich aber trotzdem eine fundierte Meinung bilden – Journalismus mit Aufklärungsauftrag geht anders.
Möchte man sich doch mal zugänglicher geben, werden komplexe Fragen wie die des Klimaschutzes auf ein „Was soll das alles kosten?“ reduziert. Statt darüber zu sprechen, warum wir es uns eben nicht leisten können, dort zu zögern und zu versagen, wird dem eigenen Publikum erst gar kein weiteres Interesse zugetraut.
Falls es entfallen sein sollte: Unsere nächste Bundesregierung hat die historische Aufgabe, die Klimakrise in ihrem vollen und tödlichen Ausmaß abzuwenden. Warum wird selbst in zentralen Formaten wie dem Triell nicht mit Dringlichkeit und der nötigen Tiefe darüber gesprochen? Wir bekommen hier die Quittung eines nachweislich schädlichen Horse Race Journalism, der sich eher auf Einzelpersonen im Wahlwettbewerb konzentriert, statt ernsthaft in politische Fragen einzutauchen.
Das dritte Triell steht noch aus. Die Hoffnung, dass andere, oft existenzgefährdende Probleme überhaupt angesprochen werden und die Kandidierenden echte Lösungen bieten müssen, bleibt winzig. Zumal sie genug Raum bekommen müssten, um nicht als Randnotiz zu verhallen, in unhinterfragten Worthülsen oder gar Lügen erstickt zu werden. Denn was nützt der sorgfältigste Faktencheck, wenn er erst mehrere Stunden nach Ende der Sendung Laschets angebliche „Brandmauer nach Rechts“ als Drehtür entlarvt? Auch der Kampf gegen Rechtsextremismus und rechten Terror war übrigens bisher kaum Thema. Dabei sind allein der Mord an Walter Lübcke, der Anschlag in Halle und der in Hanau alle in der laufenden Legislaturperiode gewesen.
Wahlkampf 2021 ist, wenn sich alle beschweren, dass es zu wenig um Inhalte geht. Das wird sich allerdings auch nicht ändern, solange Medienschaffende kaum für Bedingungen sorgen, unter denen sich gut über Inhalte sprechen lässt.