Editorial des Verlegers
Editorial des Verlegers
Liebe Leserinnen und Leser,
bei den Olympischen Winterspielen in Lake Placid 1980 fragte Bruno Moravetz beim Skilanglaufrennen über 15 Kilometer sporthistorisch legendär: „Was ist mit Behle? Wo ist Behle? Wir wissen nichts, wir sehen ihn nicht. Behle ist weg.“ Bei den Olympischen Schwimmwettkämpfen in Tokio in diesen Tagen geraten die Kommentatoren von ARD und ZDF auch gern in eine gewisse Emphase, wenn sie den Mühlleitners, Schwingenschlögls oder Muffels zurufen, jetzt müssten sie (doch mal) zulegen.
Im politischen Berlin lauten die entsprechenden Sätze mit nicht ganz so klangvollem Namen gerade: Was macht eigentlich Scholz? Müsste er nicht mal zulegen und seiner Partei zu besseren Umfragewerten verhelfen? Andreas Rinke geht in diesem Hauptstadtbrief am Samstag just diesen Fragen nach. Der politische Chefkorrespondent der Nachrichtenagentur Reuters analysiert die Planspiele, wie die SPD es doch noch auf den obersten Podestplatz schaffen kann – nicht im Gesamtklassement, aber in der Sonderwertung, dem Koalitionsstichentscheid, wo die eigentliche Goldmedaille, der Einzug ins Kanzleramt, zu vergeben ist.
Im zweiten Beitrag wartet Frank Decker mit einem wohltuend deutlichen und klaren Kommentar auf. Der ausgewiesene Experte und Politikwissenschaftler an der Universität Bonn greift angesichts der Neuwahl-Possen im Thüringer Landtag in den vergangenen Wochen eine Unsitte des deutschen Parlamentarismus auf: die geheime Abstimmung. Und analysiert zeitgeschichtlich, demokratietheoretisch und lebenspraktisch, warum diese Unart abgeschafft werden sollte.
In ihrer Kolumne Auf den zweiten Blick wundert sich Inge Kloepfer nicht zuletzt angesichts Oksana Lynivs großartigen Auftritts bei den Bayreuther Festspielen in dieser Woche darüber, dass der Dirigentinnen-Anteil in deutschen Orchestern immer noch so erschreckend gering ist – gleichwohl nicht, ohne klug einige Gründe dafür zu erläutern.
Mit herzlichen Grüßen verbleibe ich – bis morgen
Ihr Detlef Prinz