Oder: Der Marsch der Rechten durch die Institutionen
Oder: Der Marsch der Rechten durch die Institutionen
„Ich sei, gewährt mir die Bitte, in Eurem Bunde der Dritte!“ Tatsächlich konnte man sich beim politischen Abgang von Jörg Meuthen an den großen Friedrich Schiller erinnert fühlen. Denn nach Parteigründer Bernd Lucke 2015 und Frauke Petry 2017 scheitert mit Meuthen nun schon der dritte AfD-Vorsitzende an seiner eigenen Partei – und macht damit endgültig den Weg frei für die erklärtermaßen Rechtsradikalen um und hinter Björn Höcke. Wie hatte noch dessen Parteifreund und Gesinnungsgenosse, der bisherige Bundestagsabgeordnete Jens Maier, stolz verkündet: „Wer in diesen Zeiten nicht als Rechtsextremist diffamiert wird, der macht irgendetwas verkehrt.“
Diesem stolzen Verein kehrt Meuthen nun den Rücken, indem er auf eine weitere Kandidatur für den Parteivorsitz verzichtet. Auch wenn er in seiner Abschiedsmail erklärt: „Ich werde selbstverständlich meine politische Arbeit fortsetzen“, bedeutet das nichts anderes, als dass er jenseits seiner lukrativen, aber wenig einflussreichen Tätigkeit als AfD-Abgeordneter im Straßburger EU-Parlament keinerlei Machtoption mehr sieht.
Im Unterschied zu Schillers Bürgschaft handelt es sich im Falle der drei Ex-AfD-Vorsitzenden allerdings nicht um ein Bündnis der Lichtgestalten, sondern der gescheiterten Opportunisten. Denn alle drei machten viel zu lange Kompromisse mit den Rechtsradikalen, bevor sie erkennen mussten, dass sie mit ihrer „bürgerlichen Anmutung“ bloß die nützlichen Idioten für die immer rechter werdende Partei abgegeben hatten. Am Ende galt stets die gleiche Devise: „Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan, der Mohr kann gehen.“
Die Bereitschaft, mit den Rechtsradikalen zu paktieren, war im Falle Meuthens allerdings weit stärker ausgeprägt als bei seinen Vorgängen. Während der ersten fünf seiner insgesamt sechs Jahre als Parteivorsitzender suchte Meuthen ganz gezielt den Schulterschluss mit Höcke und Co. Zu diesem Zweck nahm er am Kyffhäuser-Treffen des rechten Flügels teil und referierte in Schnellroda am „Institut für Staatspolitik“ des Höcke-Vertrauten und Carl-Schmitt-Verehrers Götz Kubitschek.
Meuthen war es auch, der mit seinen heute schon legendären Angriffen auf die angeblich „rot-grün-versiffte Republik“ die Parteitage zum Kochen brachte und der stolz im Kreise der Le Pens, Salvinis und Wilders für eine neue rechte Internationale in Europa demonstrierte.
Kurzum: Meuthen war der Schulterschluss mit den Rechten so lange ausgesprochen recht, solange dieser seine Macht in der Partei absicherte. Zu diesem Zweck servierte er nach Bernd Lucke auch gerne noch dessen Nachfolgerin, seine Co-Vorsitzende und vormalige Förderin Frauke Petry ab.
Als Parteivorsitzender war Meuthen das ideale Feigenblatt für die immer radikaler werdende Partei. Der rhetorisch begabte Professor der Ökonomie verkörperte perfekt die angebliche Bürgerlichkeit der Partei, derweil die meisten Bürgerlichen längst Reißaus genommen hatten. Doch auf Meuthen war Verlass: Immer wenn ihm öffentlich, etwa in einer Talkshow, zugetragen wurde, welche Schandtaten einer seiner radikalen Parteifreunde wieder begangen hatte, erwiderte er mit denkbar arglosem Augenaufschlag, davon noch nie etwas gehört zu haben.
Auf Abstand zur Parteirechten in seiner Rechtspartei ging Meuthen erst, als das Bundesamt für Verfassungsschutz nach dem Abgang von Hans-Georg Maaßen die AfD wegen akuten Extremismusverdachts genauer unter die Lupe nahm. Ab diesem Zeitpunkt wurde es für den honorigen Professor und viele seiner „bürgerlichen“ Mitstreiter dann doch zu brenzlig. Erst jetzt betrieb Meuthen den Rauswurf von Andreas Kalbitz, was zum Bruch mit Alexander Gauland führte und zur Trennung von den Radikalen. Doch dafür war es zu spät: Der Flügel war inzwischen längst der ganze Vogel. Als Meuthen vor einem Jahr auf dem AfD-Parteitag in Kalkar mit den Rechten abrechnete, war dies nur noch ein Kampf für die Galerie – zur Rettung der eigenen, längst verlorenen bürgerlichen Reputation.
Im Ergebnis kann man Meuthen in zweifacher Hinsicht dankbar sein: Erstens hat er durch seinen Abgang endgültig geklärt, wie radikal die AfD inzwischen ist. Mit Meuthen geht jetzt der Letzte, der den Gründungsmythos der „Professorenpartei“ am Leben erhielt. Zweitens aber, und wichtiger noch, hat er durch sein Agieren gezeigt, wohin Opportunismus im Umgang mit Rechtsradikalen am Ende führt. Meuthens Schicksal in der AfD sollte allen ein Lehrstück und eine Warnung sein, die noch einmal geneigt sein könnten, sich mit Rechtsradikalen einzulassen. Dabei lehrt schon die Erfahrung der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, dass am Ende immer die Extremisten obsiegen. Auch wenn die AfD nun durch die Bundestagwahl etwas geschrumpft ist, ihre Radikalisierung wird sich fortsetzen – im Bundestag, aber auch außerhalb. Der bekennende Extremist und Ex-Parlamentarier Jens Maier will jedenfalls unbedingt wieder zurück in seinen Richterjob. Er geht also weiter, der Marsch der Rechten in und durch die Institutionen.